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energierecht blog: Kantonale Vorschriften zum Einsatz erneuerbarer Energien auf dem Prüfstand: Das Baselbieter Energiedekret kommt vors Bundesgericht

Bosshard Michael, in: bratschi Energierecht blog, April 2025

Zusammen mit dem inzwischen bereits teilweise in Kraft getretenen Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien hat das Stimmvolk im Kanton Basel-Landschaft am 9. Juni 2024 auch eine Revision des kantonalen Energiegesetzes (EnG BL) angenommen. Mit der Änderung wurde das Netto-Null-Emissionsziel nunmehr auf kantonaler Stufe gesetzlich verankert. Dominiert wurde der Abstimmungskampf aber durch die Auseinandersetzungen über die Pflicht zum Einsatz erneuerbarer Energien beim Heizungsersatz. Diese wurde unter anderem neu ins Dekret zum Energiegesetz vom 26. Januar 2017 aufgenommen und stand darum gar nicht zur Abstimmung. Denn der Landrat (die Baselbieter Legislative) kann in Form des Dekrets, das nicht dem Referendum untersteht, Ausführungsbestimmungen erlassen. Exponenten der Gegnerschaft haben die Dekretsänderungen vom 19. Oktober 2023 beim Kantonsgericht angefochten. In seinem Urteil vom 11. September 2024 folgte das Kantonsgericht dem Landrat in drei von vier Punkten. Unter anderem wurde die Pflicht zum Ersatz fossiler Heizungen geschützt, diejenige zur Eigenstromerzeugung bei sämtlichen Neubauten hingegen aufgehoben. Die Beschwerdeführenden ziehen die Sache ans Bundesgericht weiter.

Warmwassererzeugung mit erneuerbarer Energie

 

Das Kantonsgericht bestätigte, dass der Ersatz des Begriffs «Brauchwarmwasser» durch «Warmwasser» redaktioneller Natur sei und keine Ausdehnung der Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien darstelle. Ebenso sei die Ergänzung «oder wenn dieser [zentrale Wassererwärmer] mit zusätzlichen Wassererwärmern ergänzt wird» lediglich eine Klarstellung von bereits seit langem geltenden Recht. 

 

 

Anteil erneuerbarer Energie für Heizwärmeerzeuger 

 

Prominentester Streitpunkt in der öffentlichen Wahrnehmung ist die Pflicht zum Ersatz fossiler Heizungen. Die Beschwerdeführenden argumentieren, der neue § 1a des Dekrets sei verfassungswidrig. Dieser besagt:

1 Bei Neubauten und ab 1. Januar 2026 auch beim Kesselersatz eines Heizwärmeerzeugers in bestehenden Bauten oder beim Brennerersatz eines Heizwärmeerzeugers, welcher älter als 15 Jahre ist, ist ein auf erneuerbaren Energien basierendes System einzusetzen, soweit es technisch möglich und über die Lebensdauer der Anlage wirtschaftlich ist.

 

2 Ist dies technisch nicht möglich oder über die Lebensdauer der Anlage nicht wirtschaftlich, so erteilt das Amt für Umweltschutz und Energie (AUE) auf begründetes Gesuch hin eine Ausnahmebewilligung.

 

§ 10 Abs. 2 EnG BL sieht vor, dass der Landrat per Dekret einen «Anteil erneuerbarer Energie» beim Ersatz bestehender Wärmeerzeuger/-speicher festlegen kann. Dass das Dekret den Einsatz von 100% erneuerbarer Energie fordere, sprenge laut den Beschwerdeführenden diesen Rahmen und verletze das Prinzip der Gewaltenteilung und das Legalitätsprinzip. Anstatt einen prozentualen Anteil festzulegen, lässt der Landrat nur noch erneuerbare Energien zu, sofern mehrere Voraussetzungen gegeben sind Das Kantonsgericht sieht in § 10 Abs. 2 EnG BL eine genügende gesetzliche Grundlage dafür.

 

 

Keine Anrechnung von Wärme aus fossil betriebenen Wärmekraftkopplungs-Anlagen an den Anteil erneuerbarer Energie 

 

Diese Änderung auf Dekretsebene ohne Mitwirkung der Stimmberechtigten verletze laut den Beschwerdeführenden ebenfalls das Legalitätsprinzip. Das Kantonsgericht sieht das anders. Dass der Dekretgeber festlegen dürfe, was als erneuerbare Energie im Sinne des Dekrets gilt, sei nicht angefochten worden und unbestritten. Daher dürfe er auch Energie aus fossil betriebenen Wärmekraftkopplungs-Anlagen die Anrechnung an den Anteil erneuerbarer Energie versagen.

 

 

Photovoltaik-Eigenstromerzeugung bei Neubauten

 

Aufgehoben hat das Kantonsgericht indessen den neuen § 2a des Dekrets. Danach hätten alle beheizten Neubauten und unbeheizte Neubauten mit mehr als 300 m² anrechenbarer Gebäudefläche einen Teil der von ihnen benötigten Elektrizität selbst erzeugen müssen. 

 

Das Bundesrecht enthält die Verpflichtung, beim Bau neuer Gebäude mit einer anrechenbaren Gebäudefläche von mehr als 300 m2 auf den Dächern oder an den Fassaden eine Solaranlage, beispielsweise eine Photovoltaik- oder eine Solarthermieanlage zu erstellen (Art. 45a Abs. 1 Satz 1 EnG). Zugleich wurde den Kantonen die Kompetenz eingeräumt, diese Pflicht auch bei Gebäuden mit einer anrechenbaren Gebäudefläche von 300 m2 oder weniger vorzusehen (Art. 45a Abs. 1 Satz 2 EnG). Aufgrund des klaren Wortlauts von Art. 45a Abs. 1 Satz 1 EnG stellt diese Bestimmung für sich noch keine genügende gesetzliche Grundlage für die Ausdehnung auf sämtliche beheizte Neubauten dar. 

 

§ 10 Abs. 1 EnG BL ermächtigt den Landrat, bei Neubauten und Erweiterungen bestehender Bauten einen Anteil erneuerbarer Energie zur Deckung des Energiebedarfs festzulegen. Eine Pflicht zur Eigenstromerzeugung enthält die Bestimmung nicht. Im Gegensatz zum Heizungsersatz (s.o.) findet diese Zubaupflicht keine Grundlage in § 10 EnG BL. Der Kanton hätte dies auf Gesetzesstufe regeln müssen.

 

 

Weiterzug ans Bundesgericht

 

Trotz des Teilerfolgs haben die Beschwerdeführenden das Urteil Anfang März 2025 ans Bundesgericht weitergezogen. Anhand des Falles aus dem Kanton Basel-Landschaft sind nun also höchstrichterliche Erwägungen zu kantonalen Vorgaben zum Einsatz erneuerbarer Energien, im Speziellen das Verbot fossiler Heizungen und die Pflicht zur Installation von Solaranlagen bei Neubauten, zu erwarten. Gerne werden wir an dieser Stelle über die Erkenntnisse informieren.

 

>Urteil vom 11. September 2024

bratschiBLOG

Authors

Michael Bosshard
Michael Bosshard
Attorney-at-Law, Partner
Head Energy and Telecom
Basel
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