Wenn ein Gericht als Vorinstanz des Bundesgerichts, das Bundesverwaltungsgericht oder ein oberes kantonales Gericht, z.B. das kantonale Verwaltungsgericht, eine Angelegenheit an die Vorinstanzen zurückweist, besteht stets eine grosse Unsicherheit, ob dieser Rückweisungsentscheid vor der nächsthöheren Instanz, dem Bundesgericht, angefochten werden darf. Die prozessualen Hürden bei der Anfechtung von Rückweisungsentscheiden sind ausnehmend hoch. Rückweisungsentscheide gelten als Zwischenentscheide. Zwischenentscheide sind aber nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 Bundesgerichtsgesetz (BGG[1]) anfechtbar. Danach muss das Bundesgericht auf eine Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung nur eintreten, wenn entweder ein nicht wieder gutzumachender Nachteil abgewendet werden kann oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen könnte und damit ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beschwerdeverfahren vermieden werden kann. Diese Hürde ist nur sehr schwer zu nehmen.
Das Bundesgericht qualifiziert Rückweisungsentscheide immerhin zum Teil als Endentscheide, nämlich wenn der Rückweisungsentscheid der Vorinstanz, an welche das Verfahren zurückgewiesen wird, keinen Entscheidungsspielraum mehr belässt, somit wenn es z.B. bloss noch um die rechnerische Umsetzung geht, oder in einem Vergabeverfahren im Einzelnen gesagt wird, wem der Zuschlag zu erteilen ist.[2] In diesem Fall, wenn ein Endentscheid vorliegt, gilt Art. 93 Abs. 1 BGG nicht und muss dieser angefochten werden (Art. 90 BGG). Zwischenentscheide müssen hingegen grundsätzlich nach deren Erlass nicht angefochten werden (Art. 93 Abs. 3 BGG), es sei denn, es sei über die Zuständigkeit oder über den Ausstand entschieden worden (Art. 92 BGG).[3]
Sind die Rückweisungsentscheide nicht anfechtbar oder wurden sie nicht angefochten, wird das Verfahren vor der Vorinstanz (bzw. vor der rückweisungsempfangenden Instanz) fortgesetzt. Für die Vorinstanz, wie auch für das Gericht, das den Rückweisungsentscheid gefällt hat, bleibt der Rückweisungsentscheid aber verbindlich und kann vor diesen Instanzen und insbesondere vom rückweisenden Gericht nicht mehr in Frage gestellt werden. Erging somit der Rückweisungsentscheid von einer Vorinstanz des Bundesgerichts, von einem kantonalen Verwaltungsgericht oder vom Bundesverwaltungsgericht, und will man den Rückweisungsentscheid in Frage stellen, musste bislang stets erneut der gesamte Instanzenzug durchlaufen und der neue Entscheid, der auf dem Rückweisungsentscheid gründete, angefochten werden, bevor das Bundesgericht angerufen werden konnte. Erst dann konnte der Rückweisungsentscheid mit dem Endentscheid des Verwaltungsgerichts oder Bundesverwaltungsgerichts angefochten werden. Der Grund für dieses Vorgehen liegt darin, dass sich die Gerichte und insbesondere das Bundesgericht nicht zwei Mal mit derselben Angelegenheit befassen müssen.
Für die Rechtssuchenden – wie auch für die unteren Instanzen und namentlich die rückweisenden Gerichte – ist diese Situation sehr unbefriedigend, weil die Aussagen im Rückweisungsentscheid verbindlich bleiben, jedoch gleichwohl stets zum Prozessthema werden. Dies kann zu Scheingefechten führen, die nur pro forma durchgeführt werden, damit der Rückweisungsentscheid am Ende vor der höchsten richterlichen Instanz, dem Bundesgericht, angefochten werden kann. Dass nun zumindest in gewissen Fällen solche prozessualen Leerläufe vermieden werden können, ist zu begrüssen.
Denn genau hier gewährt das Bundesgericht in Bezug auf die Anfechtung der Rückweisungsentscheide neuerdings eine Erleichterung, wie dem neuesten bundesgerichtlichen Entscheid 9C_336/2023 vom 3. Mai 2024 (zur Publikation vorgesehen) entnommen werden kann. Unter Umständen ist es nicht mehr notwendig, den gesamten Instanzenzug zu durchlaufen, wenn nach Erlass des Entscheides der rückweisungsempfangenden Instanz – die auch die Vor- Vorinstanz sein kann – allein der Rückweisungsentscheid strittig ist. Den Rechtssuchenden wird unter gewissen Voraussetzungen die Auslassung der Mitte, die sog. «omissio medio», gewährt, d.h. die mittleren Instanzen und namentlich die Vorinstanzen des Bundesgerichts, welche den Rückweisungsentscheid gefällt haben, müssen nicht mehr angerufen werden, sondern es darf nach Erlass des Entscheids der rückweisungsempfangenden Instanz der Rückweisungsentscheid der obersten kantonalen Gerichte oder des Bundesverwaltungsgerichts direkt beim Bundesgericht angefochten werden.
Bereits die zivilrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat diese Auslassung der Mitte ausnahmsweise zugelassen. Es gilt der Grundsatz, dass der kantonale Instanzenzug gegen den Endentscheid auch nach einer Rückweisung wieder durchlaufen werden muss. Ausnahmsweise kann der kantonal oberinstanzliche Rückweisungsentscheid im Anschluss an den Entscheid der rückweisungsempfangenden Unterinstanz aber unmittelbar beim Bundesgericht angefochten werden, wenn:
1. dem Bundesgericht ausschliesslich Rügen unterbreitet werden, welche die Erwägungen im damaligen Rückweisungsentscheid der oberen kantonalen Instanz als Vorinstanz des Bundesgerichts betreffen;
2. nur Punkte aufgegriffen werden, über die das kantonale oberste Gericht abschiessend und für das rückweisungsempfangende Gericht verbindlich entschieden hat.[4]
Im genannten Fall BGer, 9C_336/2023 vom 3. Mai 2024, welcher ein kantonales steuerrechtliches Verfahren betraf, jedoch Auswirkungen auf das gesamte öffentliche Prozessrecht haben wird, hat das Bundesgericht diese von der zivilrechtlichen Abteilung entwickelte Praxis übernommen. Es geht in diesem Fall um die Frage, ob der Gewinn aus einem Grundstücksverkauf der Einkommenssteuer unterliegt und als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit versteuert werden muss oder ob es sich um landwirtschaftlich genutzte Grundstücke handelt, bei denen nur die Grundstückgewinnsteuer erhoben werden darf. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau entschied, dass der Gewinn aus dem Verkauf der Grundstücke als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu erfassen sei und wies die Angelegenheit an die örtliche Steuerkommission zur Bemessung der Steuer zurück. Die örtlichen Steuerkommission bejahte dementsprechend, dass es sich um Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit handelte und legte die Steuer entsprechend fest. Den Entscheid zogen die Betroffenen an das Spezialverwaltungsgericht (Steuergericht) weiter, welches den Rekurs abwies. Darauf hin gelangten die Steuerpflichtigen direkt – unter Auslassung des kantonalen Verwaltungsgerichts, das den Rückweisungsentscheid gefällt und die selbständige Erwerbstätigkeit letztinstanzlich festgestellt hatte – ans Bundesgericht. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde aus folgenden Gründen ein:
1. Aus dem materiellen Recht darf sich nicht die Pflicht zum ausnahmslosen Durchlaufen des Instanzenzugs ergeben (E. 1.4.2).
2. Die rückweisende Oberinstanz hat der rückweisungsempfangenden Unterinstanz abschliessende inhaltliche (verfahrensrechtliche oder materiellrechtliche) Vorgaben gemacht, welche die beschwerdeführende Person im Anschluss an den neuen Entscheid der rückweisungsempfangenden Instanz, somit im Regelfall im Anschluss an den Endentscheid, anfechten will, an die aber die Rückweisungsinstanz gebunden ist und darauf nicht zurückkommen kann (E. 2.4).
3. Es geht der beschwerdeführenden Person einzig um Fragen, die im Rückweisungsentscheid verbindlich entschieden wurden und nicht ebenso um Fragen, welche die rückweisungsempfangende Instanz noch zu entscheiden hatte. Ein Splitting der Beschwerden erachtet das Bundesgericht als unzulässig.
4. Der Rückweisungsentscheid war vor Bundesgericht nicht selbständige anfechtbar (Art. 93 Abs. 1 BGG) oder er wurde nicht angefochten (Art. 93 Abs. 3 BGG) (E. 2.5).
Weil im konkreten Fall nur das «ob» bezüglich der Unterstellung des Grundstücksgewinns unter die Einkommenssteuer streitig war, aber nicht das «wie» der Besteuerung, war die «omissio medio» zulässig (E. 2.5.2). Allerdings wurde die Beschwerde dann abgewiesen.
[1] Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) vom 17. Juni 2005, SR 173.110.
[2] BGE 149 III 44 E. 1.1.; dementsprechend kann auch nach Erlass des Endentscheides der unteren Instanz die Kostenregelung im Rückweisungsentscheid des obersten kantonalen Gerichts direkt beim Bundesgericht angefochten werden, BGE 143 III 290 E. 1.5.
[3] Zu den beiden Fällen: BGE 134 II 124 E. 1.3; 138 I 143 E. 1.2.; BGer, 9C_336/2023 E. 1.3.4.
[4] Vgl. zum Ganzen auch Häner Isabelle, Endverfügung – Teilverfügung – Zwischenverfügung, in: Isabelle Häner/Bernhard Waldmann, 8. Forum für Verwaltungsrecht: Brennpunkt «Verfügung», Zürich 2022, S. 19 ff.