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financial services blog: Das neue FINMA Rundschreiben «Konsolidierte Aufsicht von Finanzgruppen nach BankG und FINIG» 2025/4

Jörg Florian S. und Rüedi Pascal, in: bratschi financial services blog, April 2025

Ist eine Bank im Sinne der Definition des Bankgesetzes (BankG) Teil einer Finanzgruppe oder eines Finanzkonglomerats, so kann die FINMA ihre Bewilligung vom Bestehen einer angemessenen konsolidierten Aufsicht durch eine Finanzmarktaufsichtsbehörde abhängig machen (Art. 3b BankG).

1. Einleitung

 

Weil solche Gruppen unterschiedliche Strukturen und Geschäftstätigkeiten aufweisen und sich entsprechend regelmässig Auslegungsfragen seitens von Prüfgesellschaften oder beaufsichtigter Institute stellen, hat die FINMA 2011 in anonymisierter Form ihre Stellungnahmen zu diesen Fragen in der FAQ-Liste «Konsolidierte Aufsicht von Banken und Effektenhändlern» publiziert. Diese Liste war bis 2018 in Kraft und seither fehlte eine einfach zugängliche Übersicht über die entsprechende Praxis der FINMA. Mit ihrem neuen Rundschreiben 2025/4 «Konsolidierte Aufsicht von Finanzgruppen nach BankG und FINIG» ändert die FINMA dies. Sie publiziert darin ihre gefestigte Praxis zur konsolidierten Aufsicht von Finanzgruppen nach BankG und FINIG und konkretisiert die Unterstellung unter diese Aufsicht, den regulatorischen Konsolidierungskreis (Umfang der konsolidierten Aufsicht) sowie die gruppenweit anwendbaren Vorschriften (Inhalt der konsolidierten Aufsicht). Das neue Rundschreiben 2025/4 wurde in der öffentlich durchgeführten Anhörung im Wesentlichen begrüsst (Bericht der FINMA vom 5. März 2025 über die Ergebnisse der Anhörung vom 2. September bis 1. November 2024, S. 4). 

 

Mit der Festschreibung der Praxis in ein Rundschreiben schafft die FINMA Transparenz und stellt so eine rechtsgleiche Anwendung der einschlägigen Normen sicher, ermöglicht eine effizientere Klärung wiederkehrender Auslegungsfragen und stärkt die Rechtssicherheit für die betroffenen Beaufsichtigten. Darüber hinaus fördert ein Rundschreiben die einheitliche Praxisanwendung in der Überprüfung durch die Prüfgesellschaften.

 

 

2. Anwendungsbereich

 

Das Rundschreiben richtet sich an Finanzgruppen und -konglomerate nach BankG und Banken, die Teil einer Finanzgruppe oder eines Finanzkonglomerats sind (Rundschreiben 2025/4, Rz. 2). Ebenso richtet sich das Rundschreiben an wertpapierhausdominierte Finanzgruppen und Wertpapierhäuser, die Teil einer Finanzgruppe sind, sowie an Finanzgruppen, die durch Personen nach Art. 1b BankG dominiert sind und an Personen nach Art. 1b BankG, die Teil einer Finanzgruppe sind (Rundschreiben 2025/4, Rz. 3).

 

Die Finanzgruppe wird in Art. 3c Abs. 1 BankG definiert: Sie setzt zwei oder mehrere Unternehmen voraus, wobei mindestens eines als Bank oder Wertpapierhaus tätig sein muss. Die Unternehmen müssen hauptsächlich im Finanzbereich tätig sein und eine wirtschaftliche Einheit bilden oder aufgrund anderer Umstände die Annahme begründen, dass ein oder mehrere der Einzelaufsicht unterstehende Unternehmen rechtlich verpflichtet oder faktisch gezwungen sind, Gruppengesellschaften beizustehen. 

 

Der Bankbegriff umfasst Unternehmen, die hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind. Damit soll vermieden werden, dass Handels- oder Industriegesellschaften, die nebenbei Finanzgeschäfte tätigen, wie zum Beispiel das Leasing, der Bewilligungspflicht unterstehen (Bahar/Stupp, BSK, 2. Aufl. 2013, Rz. 3 zu Art. 1 BankG mit weiteren Verweisen). Die FINMA beurteilt die Haupttätigkeit von einem konsolidierten Standpunkt aus (Bahar/Stupp, BSK, 2. Aufl. 2013, Rz. 3 zu Art. 1 BankG mit Verweisen auf die Praxis der früheren EBK in EBK-JB 1989, S. 14 und EBK-JB 1991, S. 31).

 

 

3. Ausnahmsweises Absehen von einer konsolidierten Aufsicht 

 

Die FINMA kann in Ausnahmefällen, in Anwendung ihres Ermessens nach Art. 3b und 3d Abs. 1 BankG, vom Erfordernis einer konsolidierten Aufsicht absehen. Es ist langjährige Praxis der FINMA (und anderer Finanzmarktaufsichtsbehörden), die Risiken aus Gruppenkonstellationen durch Abschottungsmassnahmen zu reduzieren. Die im Rahmen eines Ring Fencing getroffenen Anordnungen können als Bedingungen gesehen werden, unter denen die FINMA unter Würdigung der Sachlage im Einzelfall ausnahmsweise von einer (vorliegend gesetzlich grundsätzlich angenommenen) konsolidierten Aufsicht absieht (Bericht der FINMA vom 5. März 2025 über die Ergebnisse der Anhörung vom 2. September bis 1. November 2024, S. 10).

 

 

4. Umfang und Inhalt der konsolidierten Aufsicht

 

Die konsolidierte Aufsicht über Finanzgruppen stellt sicher, dass deren sämtliche Risiken erfasst werden; sie ist ein wesentliches Element einer wirksamen prudentiellen Aufsicht. Es ist ein elementarer Grundsatz der Aufsicht, dass sich die zuständige Aufsichtsbehörde nur dann wirklich von der Solidität eines ihr unterstellten und in eine Gruppenstruktur eingebundenen Einzelinstituts überzeugen kann, wenn sie in der Lage ist, das gesamte Geschäft und die vollständige Struktur der Finanzgruppe zu beaufsichtigen. 

 

Der Umfang der konsolidierten Aufsicht bei Banken und Personen nach Art. 1b BankG richtet sich grundsätzlich nach der gesetzlichen Definition des Begriffs der Finanzgruppe. Bei Wertpapierhäusern bestimmt sich der Umfang der konsolidierten Aufsicht nach Art. 49 Abs. FINIG und die Bestimmungen des BankG über Finanzgruppen und -konglomerate gelten sinngemäss auch für wertpapierhausdominierte Finanzgruppen (Art. 49 Abs. 3 FINIG). Ob ein Unternehmen in den regulatorischen Konsolidierungskreis einbezogen wird, beurteilt das Institut selber im Einzelfall und unter Einbezug aller Fakten und Umstände, was wiederum von der Prüfgesellschaft geprüft wird. Dabei sind die Geschäftstätigkeit des Unternehmens (hauptsächlich tätig im Finanzbereich) und der Bestand einer wirtschaftlichen Einheit (Beherrschung über mehrheitliche Beteiligung oder auf andere Weise), einer rechtlichen Beistandspflicht oder einem faktischen Beistandszwang relevant (Rundschreiben 2025/4 Rz.  20 f.). Das Rundschreiben legt in den Rz. 22 bis und mit Rz. 60 ihre Auslegung und Praxis zur Tätigkeit im Finanzbereich (Rz. 22 ff.), zum Verbundsystem (Rz. 25 ff.), zu Finanzgruppenstrukturen (Rz. 40 ff.). zu Gruppengesellschaften (Rz. 57 ff.) und zur Unterscheidung zwischen Konsolidierungskreis für Konzernrechnung und regulatorischem Konsolidierungskreis dar (Rz. 61). 

 

Der Inhalt der konsolidierten Aufsicht ist in den Art. 3f und 3g BankG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 BankV festgelegt und es gelten grundsätzlich sinngemäss dieselben Vorschriften auf konsolidierter Basis wie für Institute auf Einzelbasis. Die FINMA unterteilt im Rundschreiben 2025/4 die konsolidierte Aufsicht dabei in qualitative (Rz. 64 ff.) und quantitative Elemente (Rz. 75 ff.). 

 

In begründeten Fällen kann die FINMA Gruppengesellschaften des Finanzbereichs von der konsolidierten Aufsicht ausnehmen oder deren Inhalt nur teilweise als anwendbar erklären. Dies insbesondere, wenn eine Gruppengesellschaft für die konsolidierte Aufsicht unwesentlich ist (Art. 23 Abs. 2 BankV). Solche Befreiungen gewährt die FINMA jedoch nur hinsichtlich der quantitativen Elemente, nicht jedoch hinsichtlich der qualitativen Elemente (Rundschreiben 2025/4 Rz. 84).

 

 

5. Inkrafttreten

 

Das neue FINMA Rundschreiben 2025/4 tritt per 1. Juli 2025 in Kraft. 

Auteurs

Joerg Florian
Florian S. Jörg
Avocat, Associé
Co-Head Pratique internationale
Zurich
Au profil
Rueedi Pascal
Pascal Rüedi
Avocat, Associé
Co-Head Compliance et investigations
Berne
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