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zivilprozessrecht blog: Gültigkeit der Konkursübereinkunft mit dem Königreich Bayern von 1834 (BGer 5A_751/2023 vom 29. April 2024, amtl. Publ.)

Ehrat Chiara, in: bratschi Zivilprozessrecht blog, Oktober 2024

Das Bundesgericht bestätigte am 29. April 2024, dass die Konkursübereinkunft mit dem Königreich Bayern von 1834 weiterhin gültig ist und daher Vorrang vor den Bestimmungen des IPRG hat. Da diese Übereinkunft nie gekündigt oder aufgehoben wurde, gilt sie nach wie vor als völkerrechtlicher Vertrag, der gegenüber dem internen kantonalen Recht und dem späteren IPRG Vorrang hat. Aufgrund dieser weiterhin bestehenden Übereinkunft war eine Anerkennung des deutschen Insolvenzdekrets nach Art. 166 ff. IPRG nicht erforderlich. Folglich war der deutsche Insolvenzverwalter berechtigt, das Abtretungsbegehren nach Art. 260 SchKG zu stellen, ohne dass es eines weiteren Verfahrens bedurfte.

Am 29. Januar 2019 ordnete das Amtsgericht München die vorläufige Insolvenzverwaltung der B AG, Tochtergesellschaft der C AG, an und ernannte Rechtsanwalt D als vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 18. Februar 2019 eröffnete das Bezirksgericht Kreuzlingen den Konkurs über die im Thurgau ansässige Beteiligungsgesellschaft C AG. Am 16. Oktober 2019 wurde das Insolvenzverfahren gegen die B AG in Deutschland eröffnet und Rechtsanwalt D als definitiver Insolvenzverwalter bestellt.

 

Darauf kollozierte das Konkursamt Kreuzlingen unter anderem Forderungen der B AG und des A, Gläubiger der C AG und Mitglied des Verwaltungsrates der C AG, in der dritten Klasse.

 

Währenddem der Kollokationsplan der C AG auflag erhob A am 10. Dezember 2020 eine Kollokationsklage mit dem Hauptantrag, dass die Forderung der B AG aus dem Kollokationsplan zu weisen sei. Am 7. November wies das Bezirksgericht Kreuzlingen die Klage ab. Mittels Berufung gelangte A an das Obergericht des Kantons Thurgau. Das Berufungsverfahren ist hängig. 

 

Am 23. August 2021 trat das Konkursamt der B AG die Verantwortlichkeitsansprüche gemäss Art. 752 ff. OR gegenüber den Organen der C AG gestützt auf Art. 260 SchKG ab und am 13. September 2021 erklärte das Konkursgericht das Konkursverfahren für geschlossen.

 

Am 26. April 2023 beantragte A. beim Obergericht Thurgau als Aufsichtsbehörde in Konkurssachen die Feststellung der Nichtigkeit von Verfügungen des Konkursamtes über die C AG. Das Obergericht wies dieses Gesuch am 18. September 2023 ab. Dagegen erhob A am 6. Oktober 2023 eine Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht, welche mit dem Urteil vom 29. April 2024 abgewiesen wurde.

 

In seinem Urteil befasste sich das Bundesgericht mit der Gültigkeit der Abtretungsverfügung und erinnerte an die Rechtsprechung zu ausländischen Konkursverwaltern (E. 4.1.1.). Ausländische Konkursverwalter seien in der Schweiz ausschließlich berechtigt, die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets und den Erlass sichernder Maßnahmen zu beantragen (Art. 166 Abs. 1 und Art. 168 IPRG) und - nach Anerkennung des Dekrets - gestützt auf Art. 171 IPRG Anfechtungsansprüche (Art. 285 ff. SchKG) oder andere Ansprüche einzuklagen, sofern das schweizerische Konkursamt und die kollozierten Gläubiger darauf verzichtet haben. Eine ausländische Konkursmasse sei jedoch nicht befugt, in der Schweiz Betreibungshandlungen vorzunehmen oder eine Klage gegen einen angeblichen Schuldner des Konkursiten zu erheben. Wird das ausländische Konkursdekret anerkannt, so unterliege das in der Schweiz befindliche Vermögen des Schuldners den konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts (Art. 170 Abs. 1 IPRG), was zur Eröffnung eines Hilfskonkurses führe, der vom schweizerischen Konkursamt durchgeführt werde. Eine Tätigkeit der ausländischen Konkursverwaltung sei nach Anerkennung des ausländischen Insolvenzentscheides und Verzicht auf ein inländisches Hilfsverfahren jedoch möglich (Art. 174a Abs. 4 IPRG).

 

Das Bundesgericht untersuchte des Weiteren die Gültigkeit der Abtretung von Ansprüchen nach Art. 260 SchKG an die B AG und betonte den Vorbehalt der völkerrechtlichen Verträge (Art. 30a SchKG; Art. 1 Abs. 2 IPRG; E.4.5.). Es stellte fest, dass die Konkursübereinkunft mit dem Königreich Bayern von 1834, welche die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen in Konkursfällen regelt, weiterhin in Kraft ist (E. 4.5.1.). Das Bundesgericht bestätigte, dass der Kanton Thurgau diese Übereinkunft unterzeichnet hat und dass eine Anerkennung des Konkursdekrets in der Schweiz nicht erforderlich sei, solange die Übereinkunft gelte (E. 4.5.2). Dass der Gesetzgeber den Vorrang von Art. 166 ff. IPRG gegenüber den alten Konkursübereinkünften beabsichtigte (E. 4.5.4) verneinte das Gericht. Die Übereinkunft gelte als kantonales Recht und bleibe mangels Kündigung oder Aufhebung weiterhin in Kraft (E. 4.5.5). Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass eine Anerkennung des deutschen Insolvenzdekrets nach Art. 166 ff. IPRG für eine Klageerhebung nicht erforderlich sei, da das deutsche Insolvenzrecht dem Insolvenzverwalter der B AG die Befugnis hierzu verlieh (E. 4.6).

Auteurs

Chiara Ehrat

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