Photovoltaikanlagen («PV-Anlagen») sind entscheidend für eine nachhaltige Energieversorgung. Sie können unter Umständen aber auch Blendungen verursachen, die das Wohlbefinden von Nachbarinnen und Nachbarn erheblich stören. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Anforderungen an PV-Anlagen gelten, wie sich Betroffene wehren können und wie sich Konflikte bereits bei der Planung vermeiden lassen.
1. Umweltrechtliche Anforderungen an PV-Anlagen
Die Photovoltaik ist eine der Schlüsseltechnologien auf dem Weg zur nachhaltigen Energieversorgung. Im Jahr 2050 sollen Photovoltaikanlagen gemäss den Angaben des Bundesamtes für Energie über 40% des Strombedarfs in der Schweiz decken. Deshalb wird der Bau von PV-Anlagen heute mit verschiedenen Instrumenten gefördert und ist unter bestimmten Voraussetzungen obligatorisch (vgl. Art. 45a EnG). PV-Anlagen können aber auch negative Auswirkungen haben. Sie reflektieren das Sonnenlicht und können zu Blendwirkungen führen, die das Wohlbefinden von Nachbarinnen und Nachbarn erheblich stören. Aufgrund der steigenden Verbreitung von PV-Anlagen werden in Zukunft Konflikte über Lichtreflexionen von PV-Anlagen zunehmen.
Für PV-Anlagen auf Dächern ist in Bau- und Landwirtschaftszonen keine Baubewilligung erforderlich, wenn die PV-Anlagen «genügend angepasst» sind. Sie müssen lediglich der zuständigen Behörde gemeldet werden (Art. 18a Abs. 1 RPG). Damit PV-Anlagen als genügend angepasst gelten, müssen sie u.a. «nach dem Stand der Technik reflexionsarm ausgeführt werden» (Art. 32a Abs. 1 lit. c und Abs. 1bis lit. c RPV). Zudem entbindet die blosse Meldung nicht von der Pflicht, die Vorschriften des materiellen Rechts einzuhalten (vgl. im Kanton Zürich § 2b Abs. 2 BVV). Dazu gehören insbesondere die Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes (USG).
Von PV-Anlagen ausgehende Sonnenlichtreflexionen stellen gemäss der Rechtsprechung Einwirkungen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 USG dar. Sie sind im Rahmen der Vorsorge mit emissionsbegrenzenden Massnahmen an der Quelle so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG) – es besteht also eine umweltschutzrechtliche Pflicht, auch nicht übermässige Sonnenlichtreflexionen mit verhältnismässigen Massnahmen zu begrenzen (z.B. durch eine Verkleinerung der Anlage, Änderung der Aufständerung, Anpassung der Moduloberfläche, Bepflanzungen als Sichtschutz, etc.). Wenn die Reflexionen schädlich oder lästig sind, werden die Emissionsbegrenzungen verschärft (Art. 11 Abs. 3 USG).
Die Schädlichkeit oder Lästigkeit ist im Einzelfall gestützt auf die Art. 11 ff. USG zu beurteilen, weil für Lichtstrahlen anders als bei Lärm und Luftverunreinigungen keine Grenzwerte bestehen. Massgebend ist, ob die Lichtimmissionen zu einer erheblichen Störung des Wohlbefindens führen (vgl. Art. 14 lit. b USG).[1] Massgebend für die Beurteilung sind insbesondere die Dauer und die Intensität der Lichtreflexionen, wobei auch die Angaben von Expertinnen und Fachstellen beigezogen werden können.[2] In der Vollzugshilfe Lichtemissionen des Bundesamts für Umwelt fehlen Angaben, weil nach Ansicht des BAFU dafür die empirischen Grundlagen noch fehlen.[3] Demgegenüber publizierte EnergieSchweiz in Zusammenarbeit mit Swissolar einen Leitfaden mit Empfehlungen, die rechtlich unverbindlich sind, aber in der Praxis dennoch eine Bedeutung haben.[4] Gemäss den Empfehlungen sind Sonnenlichtreflexionen von PV-Anlagen in Wohnzonen nicht tolerierbar, wenn sie einen der folgenden Richtwerte in Bezug auf die Dauer der Blendungen[5] überschreiten (ohne Berücksichtigung der Bewölkung):
maximal 60 Stunden Blendung pro Jahr.
2. Verfahrensrechtliches Vorgehen gegen eine blendende PV-Anlage
Nachbarinnen und Nachbarn, die sich an einer PV-Anlage stören, können sich einerseits mit den privatrechtlichen Mitteln gemäss Art. 679 ff. ZGB (Nachbarrecht) gegen die Immissionen wehren. Andererseits können sie den öffentlich-rechtlichen Weg einschlagen und bei der für das Umweltrecht zuständigen Behörde[6] mittels eines Gesuchs, das häufig als öffentlich-rechtliche «Immissionsklage»[7] bezeichnet wird, den Abbruch oder die Anpassung der PV-Anlage verlangen. Die zuständige Behörde muss die Blendwirkungen der PV-Anlage von Amtes wegen feststellen und beurteilen, ob diese schädlich oder lästig sind. Gegebenenfalls ordnet es den Abbruch oder die Anpassung der PV-Anlage (z.B. eine Änderung der Aufständerung und Ausrichtung) an.
Im Immissionsverfahren stellt die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Untersuchungsgrundsatz). Taugliche Beweismittel sind insbesondere Augenscheine und Reflexionsgutachten. Während Augenscheine der Behörde die Bildung einer subjektiven Wahrnehmung der Schädlichkeit und Lästigkeit der Blendung ermöglichen, beschreiben Reflexionsgutachten die Blendungen in objektiver Weise. Teilweise beziehen sie sich nur auf die Blenddauer, die sich mathematisch berechnen lässt, wobei häufig auf die Richtwerte im Leitfaden von EnergieSchweiz abgestellt wird. Teilweise beziehen sich Reflexionsgutachten aber auch auf die Blendintensität und weitere Grössen, welche nur gemessen werden können.
3. Vermeidung von Konflikten durch sorgfältige Planung
Wer eine PV-Anlage plant, sollte allfälligen Blendwirkungen auf nachbarliche Grundstücke bereits im Planungsstadium genügend Beachtung schenken. Konflikte mit Nachbarinnen und Nachbarn und Immissionsklagen kosten Zeit, Nerven und Geld – und können im Fall der Gutheissung der Immissionsklage dazu führen, dass die PV-Anlage anders ausgerichtet werden muss und damit an Ertrag verliert. Eine sorgfältige Planung ist daher im ureigenen Interesse der Bauherrschaft.
Der Leitfaden von EnergieSchweiz empfiehlt dafür ein dreistufiges Vorgehen: In einem ersten Schritt soll abgeklärt werden, ob die PV-Anlage überhaupt zu relevanten Blendwirkungen führen kann; je nach Ausrichtung der PV-Anlage oder aufgrund der örtlichen Verhältnisse kann dies u.U. auch ausgeschlossen werden. In einem zweiten Schritt soll geklärt werden, ob die Blendung kritisch oder unkritisch ist; unkritisch ist sie etwa, wenn die PV-Anlage sehr klein ist. In einem dritten Schritt sind genauere Abklärungen nötig, wenn die Blendungen kritisch sein könnten. Hierbei kann es ratsam sein, bereits im Planungsstadium vorsorglich ein Reflexionsgutachten erstellen zu lassen. Damit kann eruiert werden, ob die im Leitfaden genannten Richtwerte eingehalten werden oder nicht. Ebenso können vorsorglich Massnahmen zur Minimierung der Blendwirkungen geplant werden (z.B. Änderung der Aufständerung oder der Oberfläche der PV-Anlage).
[1] Vgl. zum Ganzen etwa BGer, Urteil 1C_686/2021 vom 9.1.2023, E. 3.2; BGer, Urteil 1C_177/2011 vom 9.2.2012, E. 5.5.
[2] BGE 140 II 33, E. 4.3 S. 37; BGer, Urteil 1C_686/2021 vom 9.1.2023, E. 3.2.
[3] BAFU, Vollzugshilfe «Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen» vom 27.10.2021, Kapitel 6.1.
[4] EnergieSchweiz, Leitfaden zum Melde- und Bewilligungsverfahren für Solaranlagen vom Juni 2023 (besucht am 13.9.2024).
[5] Auf die Intensität der Blendungen geht der Leitfaden nicht ein.
[6] Im Kanton Zürich sind die kommunalen Baubewilligungsbehörden zuständig (vgl. § 19 d der Besonderen Bauverordnung I vom 6.5.1981 [LS 700.21]).
[7] So z.B. BVGE 2021 II/, E. 20.2.1. Notabene handelt es sich bei der Immissionsklage nicht um eine verwaltungsrechtliche Klage.