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haftpflicht- und versicherungsrecht blog: Bundesgerichtlicher Leitentscheid zur Rückwirkung von Art. 103a VVG

Wyss Lukas, in: bratschi Haftpflicht- und Versicherungsrecht blog, März 2025

Das Bundesgericht begrenzt im BGer 4A_189/2024 vom 27.01.2025 die Rückwirkung von Art. 103a VVG und die Anwendung des direkten Forderungsrechts gemäss rev. Art. 60 Abs. 1bis VVG.

Das Bundesgericht hat in einem von unserem Haftpflicht- und Versicherungsteam geführten Prozess einen mit Spannung erwarteten Grundsatzentscheid gefällt und die Frage des Umfangs der Rückwirkung von Art. 103a VVG geklärt (BGer 4A_189/2024 vom 27. Januar 2025).Vorab bestätigte es den pragmatischen Methodenpluralismus und lehnte es gestützt auf seine langjährige Praxis ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Es hielt unter anderem fest, es vermöge nicht einzuleuchten, weshalb der Gesetzgeber beabsichtigt haben sollte, das direkte Forderungsrecht (Art. 60 Abs. 1bis VVG) rückwirkend gelten zu lassen, während die dem Schutz des Versicherungsnehmers dienenden (neuen) vertragsrechtlichen Bestimmungen – mit Ausnahme der ausdrücklich aufgeführten – für bereits bestehende Versicherungsverträge nach Art. 103a VVG nicht anwendbar wären. Der mit der Teilrevision beabsichtigte Schutzgedanke vermöge eine übergangsrechtlich unterschiedliche Behandlung von geschädigten Dritten und Versicherungsnehmern nicht zu rechtfertigen, sondern spreche im Gegenteil für deren einheitliche Behandlung. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Bedingungen, unter denen das Versicherungsunternehmen zur Leistung verpflichtet werde, durch Vertrag und Gesetz festgelegt würden und die Prämie als Gegenleistung durch das daraus folgende Risiko des Versicherers bestimmt werde. Dies spreche gegen eine Rückwirkung des direkten Forderungsrechts. 

 

Es kam zum Schluss, die Auslegung ergebe, dass die Übergangsbestimmung von Art. 103a VVG eine abschliessende Regelung enthalte. Nicht zuletzt entspreche dies dem Gebot der Rechtssicherheit. Dies bedeutet, dass auf vor Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2020 abgeschlossene Versicherungsverträge einzig die in Art. 103a VVG aufgeführten Bestimmungen des neuen Rechts anwendbar sind. Eine Rückwirkung weiterer Bestimmungen des neuen Rechts – so insbesondere betreffend das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG – ist gemäss Bundesgericht gesetzlich ausgeschlossen. Angesichts der spezialgesetzlichen Übergangsregelung in Art. 103a VVG seien die allgemeinen Regeln zum Übergangsrecht gemäss SchlT ZGB nicht anwendbar. Den auf Art. 2 f. SchlT ZGB gestützten Vorbringen in der Beschwerde war damit die Grundlage entzogen (E. 2.4.8).

Autoren

Wyss Lukas
Lukas Wyss
Rechtsanwalt, Partner
Co-Leitung Schiedsverfahren
Bern
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