Seit 1. Oktober 2024 können im Kanton St. Gallen Beschlüsse von virtuell abgehaltenen Generalversammlungen und Verwaltungsratssitzungen öffentlich beurkundet werden.
Per 1. Oktober 2024 wurde im Kanton St. Gallen die Verordnung über die öffentliche Beurkundung und die Beglaubigung (sGS 151.51; Beurkundungsverordnung) an die Möglichkeiten des seit 1. Januar 2023 geltenden neuen Aktienrechts in Bezug auf virtuelle Versammlungen angepasst.
Der neu geschaffene Art. 7 Abs. 4 der Beurkundungsverordnung erlaubt es St. Galler Notarinnen und Notaren, Beschlüsse einer virtuellen Generalversammlung einer AG oder von Beschlüssen des obersten Leitungs- und Verwaltungsorgans, die mit elektronischen Mitteln ohne Tagungsort gefasst werden, öffentlich zu beurkunden. Die physische Abhaltung einer Generalversammlung oder einer Verwaltungsratssitzung ist damit grundsätzlich nicht mehr notwendig, wenn der entsprechende Beschluss (z.B. eine Statutenänderung) beurkundungspflichtig ist.
Voraussetzung für die Durchführung einer virtuellen Generalversammlung oder Verwaltungsratssitzung (z.B. mittels TEAMS-Meeting) ist, dass die aktuellen Statuten der Gesellschaft diese Möglichkeit bereits vorsehen und in der Einladung zur Generalversammlung ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter bezeichnet wird, wobei auf letzteres bei nicht börsenkotierten Gesellschaften verzichtet werden kann (vgl. Art. 701d OR).
Der Verwaltungsrat hat die Verwendung elektronischer Mittel zu regeln und sicherzustellen, dass die Identität der Teilnehmer feststeht, die Voten in der Generalversammlung unmittelbar übertragen werden, jeder Teilnehmer Anträge stellen und sich an der Diskussion beteiligen kann und das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann (vgl. Art. 701e OR). Die Urkundsperson muss während der Beratung und Abstimmung zu den beurkundungsbedürftigen Beschlüssen in gleicher Weise wie die weiteren Teilnehmer, insbesondere die Aktionäre und Mitglieder des Verwaltungsrates, über einen elektronischen Zugang an der virtuellen Generalversammlung oder der virtuellen Sitzung des Verwaltungsrates teilnehmen (vgl. Art. 7 Abs. 4 der Beurkundungsverordnung). Treten während der Versammlung technische Probleme auf, sodass sie nicht ordnungsgemäss durchgeführt werden kann, so muss sie wiederholt werden (vgl. Art. 701f OR).
Die Beurkundung von virtuellen Versammlungen ist nicht nur bei der AG möglich, sondern auch bei der GmbH und der Genossenschaft.
Nicht explizit in der Beurkundungsverordnung geregelt ist die virtuelle Fernbeglaubigung und die Ausstellung einer Beglaubigungsermächtigung auf elektronischem Weg. Dabei bestätigt eine Person virtuell, d.h. z.B. über eine Videokonferenz, gegenüber der Urkundsperson, dass z.B. eine der Urkundsperson im Original vorliegende Unterschrift von ihr stammt und somit von der Urkundsperson beglaubigt werden kann. Die Fernbeglaubigung war schon vor der Anpassung der Beurkundungsverordnung anerkannt (vgl. Art. 11 Abs. 1 der Beurkundungsverordnung) und ist es mit der Zulässigkeit der Beurkundung einer virtuellen Versammlung umso mehr. Durch eine Fernbeglaubigung lässt sich das mühsame Einholen von Beglaubigungen und von Apostillen im Ausland (welche teilweise nur noch elektronisch ausgestellt werden und von den Schweizer HR-Ämtern nicht akzeptiert werden) vermeiden, was im Umgang mit internationalen oder zeitkritischen Transaktionen einen grossen praktischen Nutzen mit sich bringen kann.