Das Bundesgericht hat in einem im Dezember 2024 ergangenen Urteil entschieden, dass es für die sog. vereinfachte Nachbesteuerung von Erben in jedem Fall eine Selbstanzeige der Erben (bzw. des Erbschaftsverwalters) benötigt. Das Urteil hat Konsequenzen für Erben, die mit nicht versteuerten Vermögenswerten und Erträgen konfrontiert sind.
Nachsteuerverfahren
Werden steuerbare Einkünfte und Vermögenswerte in der ordentlichen Steuererklärung nicht angegeben, kann die kantonale Steuerverwaltung diese bis zu zehn Jahre nachträglich besteuern (sog. ordentliches Nachsteuerverfahren), wenn sie in einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Unterbesteuerung erlangt.
Als spezielle Regelung zum allgemeinen ordentlichen Nachsteuerverfahren (sog. lex specialis) haben Erben Anspruch auf das sog. vereinfachte Nachbesteuerungsverfahren, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
Beim vereinfachten Nachbesteuerungsverfahren werden die hinterzogenen Vermögenswerte und Erträge lediglich für die letzten drei vor dem Todesjahr abgelaufenen Steuerperioden nachträglich besteuert. Der Gesetzgeber hat dieses Verfahren eingeführt, um in Erbfällen den Anreiz zur Offenlegung von bisher nicht deklarierten Einkünften und Vermögenswerten zu erhöhen.
Bisherige, unklare Rechtslage
Bisher war umstritten, ob der Anspruch auf dieses vereinfachte Verfahren die aktive Meldung der hinterzogenen Vermögenswerte und Erträge durch die Erben (oder des Erbschaftsverwalters) bei der Steuerverwaltung erfordert. Grundsätzlich herrschen in der Lehre zwei Meinungen dazu:
Lehrmeinung 1
Die Voraussetzungen für eine vereinfachte Nachbesteuerung erwähnen keine Anzeigepflicht durch die Erben. Die Einreichung eines vollständigen Erbschaftsinventars und die Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch die Erben sei ausreichend.
Lehrmeinung 2
Das vereinfachte Nachsteuerverfahren werde nur auf Gesuch hin gewährt, wenn die Voraussetzungen erfüllt seien. Aus der Voraussetzung, dass die Hinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt sei, gehe schliesslich das Erfordernis der Selbstanzeige implizit hervor.
Das Bundesgericht hat sich der zweiten Lehrmeinung angeschlossen, wonach die Erben nur dann die vereinfachte Nachbesteuerung in Anspruch nehmen können, wenn sie die Unterbesteuerung selbst bei der zuständigen kantonalen Steuerverwaltung zur Anzeige bringen.
Vorliegender Fall
Im vom Bundesgericht beurteilten Fall stellte sich der Sachverhalt wie folgt dar: B war die einzige Erbin ihrer 2020 verstorbenen Schwester A. A konnte gestützt auf eine Vollmacht zu Lebzeiten über ein in der Schweiz nicht deklariertes Bankkonto verfügen, welches auf die C lautete. A hat sich gestützt auf diese Vollmacht in den Jahren 2012 und 2015 je CHF 50'000 auf ihr eigenes Konto übertragen. Im Rahmen des Inventar- und Erbschaftssteuerverfahrens wurde dies vom Steueramt des Kantons Zürich bemerkt. Das Steueramt eröffnete daraufhin für die Jahre 2012 und 2015 ein Nachsteuerverfahren gegen die Erbin B. Da die Erblasserin im Jahr 2020 verstorben war, hätte die Erbin – im Verfahren der vereinfachten Nachbesteuerung – die in den Jahren 2012 und 2015 hinterzogenen Steuern nicht nachzahlen müssen. Da die Erbin aber nicht von sich aus auf diese Steuerhinterziehung hingewiesen hat, hat das kantonale Steueramt nach Auffassung des Bundesgerichts zu Recht ein ordentliches Nachsteuerverfahren eröffnet und Nachsteuern für die Jahre 2012 und 2015 erhoben. Dabei war es für das Bundesgericht unbeachtlich, dass die Erbin B keine Kenntnis von den nichtdeklarierten Einkünften hatte und somit gar keine Meldung hätte machen können.
Auswirkungen des Entscheids
Der vom Bundesgericht behandelte Fall zeigt einmal mehr auf, dass Erben sich auch mit der steuerlichen Vergangenheit des Erblassers auseinandersetzen müssen, um im Rahmen des Erbschaftssteuer- bzw. Inventarverfahrens unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Unkenntnis über allfällige Steuerhinterziehungen der Erblasser schützen die Erben nicht vor den Folgen eines ordentlichen Nachsteuerverfahrens. Gerade bei grösseren Erbfällen ist es für die Erben daher geboten, sich vertieft mit der steuerlichen Vergangenheit der Erblasser bzw. der Erbmasse auseinanderzusetzen.
Sind den Erben Steuerhinterziehungen bekannt, sollte in jedem Fall der Kontakt mit den Steuerbehörden gesucht und eine entsprechende – vollständige – Selbstanzeige gemacht werden.
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