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tax blog: Das neue KS 32a – Steuerliche Änderungen bei Sanierungen

Böhi Roland und Büchler Florian, in: bratschi tax blog, Mai 2025

Am 20. Januar 2025 veröffentlichte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) das revidierte Kreisschreiben Nr. 32a zur Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Dieses ersetzt das bisherige Kreisschreiben Nr. 32 vom 23. Dezember 2010 und berücksichtigt aktuelle Entwicklungen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis sowie Änderungen im Aktienrecht.

1. Begriff der Sanierung

 

Neu wird der Begriff der Sanierung für steuerliche Zwecke differenziert betrachtet: Eine Gesellschaft ist in gewinnsteuerlicher Hinsicht sanierungsbedürftig, wenn eine handelsrechtliche Unterbilanz vorliegt. Bei der Verrechnungssteuer werden stille Reserven nur berücksichtigt, wenn sie von der steuerpflichtigen Person geltend gemacht und nachgewiesen werden. Bei den Stempelabgaben wird die Sanierungsbedürftigkeit unterschiedlich behandelt, je nachdem ob der Sanierungsfreibetrag geltend gemacht wird oder die zu sanierende Gesellschaft einen Erlass der Emissionsabgabe ersucht (vgl. nachfolgend).

 

 

2. Forderungsverzicht durch Anteilsinhaber

 

Ein zentraler Punkt der Revision betrifft den Forderungsverzicht durch Anteilsinhaber:

 

  • Erfolgsneutraler Verzicht: Das neue Kreisschreiben stellt nun klar, dass ein Forderungsverzicht durch einen Anteilsinhaber, der in das Eigenkapital der zu sanierenden Gesellschaft gebucht wird, immer gewinnsteuerlich neutral bleibt (unechter Sanierungsertrag). Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Gesellschaft nicht sanierungsbedürftig ist, sowie wenn das Darlehen als verdecktes Eigenkapital betrachtet wird oder wenn es nicht drittkonform ist. Somit bleiben bei dieser Variante die steuerlichen Verlustvorträge vom Forderungsverzicht unberührt. 

     

  • Erfolgswirksamer Verzicht: Wird der Verzicht über die Erfolgsrechnung verbucht, führt dies grundsätzlich zu einem steuerpflichtigen Sanierungsertrag (echter Sanierungsertrag). Dieser echte Sanierungsertrag kann im Rahmen von Art. 67 Abs. 2 DBG bzw. Art. 25 Abs. 3 StHG zeitlich unbeschränkt mit Verlustvorträgen verrechnet werden. Da echter Sanierungsertrag nicht ins Eigenkapital verbucht wird, können keine steuerlichen «Reserven aus Kapitaleinlagen» gebildet werden. Verzichtet ein Anteilsinhaber jedoch auf ein Gesellschafterdarlehen, das vor der Sanierung steuerlich als verdecktes Eigenkapital behandelt wurde oder wenn es sich um ein Sanierungsdarlehen handelt, das wegen des schlechten Geschäftsgangs gewährt wurde, liegt unechter Sanierungsertrag vor, was steuerlich gleich behandelt wird wie ein erfolgsneutraler Forderungsverzicht.

 

 

3. Forderungsverzicht durch Schwestergesellschaften

 

Beim Forderungsverzicht durch eine Schwestergesellschaft hat sich nichts verändert: Hält der Forderungsverzicht durch eine Schwestergesellschaft dem Drittvergleich stand, ist dieser bei beiden Gesellschaften gewinnsteuerwirksam (geschäftsmässig begründeter Aufwand bzw. Ertrag). Ist dies nicht der Fall, besteht eine der Verrechnungssteuer unterliegende geldwerte Leistung des Gläubigers.

 

 

4. Sanierungsfreibetrag

 

Wie vorstehend dargestellt, ist eine direkt ins Eigenkapital eingebuchte Kapitaleinlage gewinnsteuerneutral. Für die Zwecke der Emissionsabgabe kann ein Sanierungsfreibetrag von CHF 10 Mio. geltend gemacht werden, soweit die Gesellschaft sanierungsbedürftig ist und die Kapitaleinlage mit bestehenden bilanziellen Verlusten verrechnet wird (Art. 6 Abs. 1 lit. k StG; vgl. BGE 149 II 462). Neu wird der Betrag der Sanierungsbedürftigkeit in Höhe der bilanziellen Verluste nach Abzug des Gewinnvortrags und der freiwilligen Gewinnreserven bestimmt. Stille und gesetzliche Reserven bleiben unbeachtlich. Das neue Kreisschreiben stellt nun klar, dass die Verlustverrechnung bis spätestens der ordentlichen Generalversammlung beschlossen werden muss, an welcher die Jahresrechnung genehmigt wird, in der die Sanierung verbucht wurde.

 

Für denjenigen Teil der Kapitaleinlage, für welche der Sanierungsfreibetrag greift, können weiterhin keine verrechnungssteuerfrei rückführbare «Reserven aus Kapitaleinlagen» geltend gemacht werden.

 

 

5. Erlass der Emissionsabgabe

 

Gemäss Art. 12 StG kann die Emissionsabgabe auf Gesuch hin erlassen werden, was insbesondere nach Ausschöpfung des Sanierungsfreibetrags praxisrelevant ist. Für den Erlass sind die Voraussetzungen im Allgemeinen deutlich strenger als beim Sanierungsfreibetrag, da ersterer nur bei einer offenbaren Härte anzuwenden ist. Im neuen Kreisschreiben wird nun genauer konkretisiert, wann die offenbare Härte gegeben ist. Erforderlich ist eine echte Unterbilanz, d.h. nach Aufwertung der stillen Willkürreserven. Stille Zwangsreserven sind unbeachtlich. Vorbestehende Kapitalreserven werden bei der Beurteilung der Unterbilanz wie nominelles Kapital behandelt. 

Entgegen der Kritik von Steuerexperten und eines zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts knüpft die ESTV den Erlass der Emissionsabgabe weiterhin - wie bei der Geltendmachung des Sanierungsfreibetrags – an das Erfordernis der handelsrechtlichen Verlustausbuchung. Und auch beim Erlass der Emissionsabgabe bleibt der Grundsatz: «Keine Reserven aus Kapitaleinlagereserven, soweit die Emissionsabgabe nicht erhoben wurde.» 

 

 

6. Sanierungsfusion

 

Bei den steuerlichen Folgen einer Sanierungsfusion hat sich inhaltlich nichts geändert. Das neue Kreisschreiben wurde insbesondere um die Neuerungen des Kreisschreibens Nr. 5a vom 1. Februar 2022 ergänzt. Die Übernahme von steuerlichen Verlustvorträgen im Rahmen einer Fusion ist demnach ausgeschlossen, wenn keine betriebswirtschaftlichen Gründe für die Fusion vorliegen, oder wenn eine Steuerumgehung beabsichtigt ist. Eine Steuerumgehung liegt insbesondere dann vor, wenn die übertragende Gesellschaft wirtschaftlich liquidiert oder in liquide Form gebracht worden ist. Durch die Sanierungsfusion untergehende Gewinnreserven unterliegen diesfalls der Verrechnungssteuer, was neuerdings durch eine Reduktion der Reserven aus Kapitaleinlagen nicht mehr verhindert werden kann. 

 

 

7. Fazit

 

Das neue Kreisschreiben Nr. 32a bringt klare steuerliche Regelungen für Sanierungsmassnahmen und bietet eine verbesserte Planungssicherheit. Insbesondere die Differenzierung bei der steuerlichen Qualifikation von Forderungsverzichten durch Anteilsinhaber und die Klarstellungen zur Emissionsabgabe und Verrechnungssteuer sind von praktischer Bedeutung. Unternehmen sollten die neuen Vorgaben sorgfältig prüfen, um steuerliche Vorteile optimal zu nutzen und Fallstricke zu vermeiden.​ Im Zweifelsfall sind kritische Punkte vorab mittels Steuerrulings zu klären, um keine negativen Überraschungen im Veranlagungsverfahren oder während einer Steuerprüfung zu erleben.

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Boehi Roland
Roland Böhi
Rechtsanwalt, Partner, Dipl. Steuerexperte
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