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tax blog: Update zur Individualbesteuerung in der Schweiz

Buess Florence und Huber Markus, in: bratschi tax blog, März 2024

Die Einführung einer zivilstandsunabhängigen Besteuerung beschäftigt die Schweiz bereits seit geraumer Zeit. Zu diesem Thema legte der Bundesrat im Dezember 2022 zwei Gesetzesentwürfe zur Vernehmlassung vor. Fast zeitgleich kam am 4. Oktober 2022 die Volksinitiative «Steuergerechtigkeitsinitiative» erfolgreich zustande. Nach der Vernehmlassung präsentierte der Bundesrat im August 2023 Eckwerte zur Individualbesteuerung, die im Februar 2024 schliesslich dem Parlament als Vorlage und indirekter Gegenvorschlag zur Steuergerechtigkeitsinitiative vorgelegt wurden. Am 21. Februar 2024 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Steuergerechtigkeitsinitiative sowie den indirekten Gegenvorschlag mit dem Bundesgesetz über die Individualbesteuerung, welche sich seither in der parlamentarischen Beratung befinden. Das Schweizer Stimmvolk wird voraussichtlich bis in zwei Jahren über die Individualbesteuerung abstimmen, wobei momentan mit einer allfälligen Einführung in 5 bis 8 Jahren gerechnet werden darf. 

Ziele der Individualbesteuerung

Die Einführung der Individualbesteuerung strebt eine zivilstandsunabhängige Besteuerung an, um die sogenannte Heiratsstrafe zu beseitigen. Zudem soll sie zur Gleichstellung von Frau und Mann beitragen und neue Erwerbsanreize für Zweitverdienende schaffen.

 

Kosten

Die Schätzungen des Bundes gehen von Mindereinnahmen von rund 1 Milliarde Schweizer Franken allein bei der direkten Bundessteuer aus, wovon etwa 800 Millionen auf den Bund und 200 Millionen auf die Kantone entfallen. Die Auswirkungen bei den Kantons- und Gemeindesteuern wurden in dieser Schätzung nicht berücksichtigt.

 

Steuergerechtigkeitsinitiative

Die Initiative fordert eine Änderung der Bundesverfassung, um eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung zu etablieren. Dazu schlägt sie folgende Ergänzung vor:

 

Natürliche Personen werden unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert (Art. 127 Abs. 2bis nBV). 

 

Vorschläge des Bundesrats

Das Bundesgesetz über die Individualbesteuerung und die darin enthaltenen Änderungen des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer sowie des Steuerharmonisierungsgesetz spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Individualbesteuerung in der Schweiz. Folgend sind einige der wesentlichen Änderungen aufgezählt:

 

  • Zurechnung der Einkünfte und Abzüge: Einkünfte und Abzüge sollen jeder steuerpflichtigen Person nach ihren zivilrechtlichen Verhältnissen sowie nach ihren weiteren gesetzlichen Anspruchsberechtigungen zugerechnet werden. Gewinnungskosten werden ihr entsprechend den dazugehörigen Einkünften zugeteilt, unabhängig davon, welche Person die Kosten bezahlt. Schuldzinsen werden anhand des Schuldvertrages zugeteilt, welcher der Schuld zugrunde liegt. Die Kantone werden diese Methode voraussichtlich analog für die Zuweisung von Vermögenswerten anwenden.
  • Einkommen von Kindern: Neu wird dieser Artikel unter dem Titel «Kinder unter elterlicher Sorge» geführt werden. Dabei wird allfälliges Einkommen von Kindern unter elterlicher Sorge, wie bis anhin den Eltern, allerdings bei gemeinsamem Sorgerecht je hälftig und bei alleinigem Sorgerecht nur diesem Elternteil zur Besteuerung zugerechnet.
  • Solidarhaftung: Die Solidarhaftung für die Steuerschuld der Ehegatten soll mit der Individualbesteuerung grundsätzlich aufgehoben werden.
  • Besteuerung nach dem Aufwand: Mit der Individualbesteuerung ist es nicht mehr erforderlich, dass beide Ehepartner die Voraussetzungen für eine Pauschalbesteuerung erfüllen. Diese Bestimmung ermöglicht es, dass eine Person nach dem Aufwand besteuert wird, während die zweite Person ordentlich besteuert wird.
  • Versicherungsabzüge: Der Maximalabzug für die Kosten von Lebens- und Krankenversicherungen wird zivilstandsunabhängig festgelegt. Pro Kind kann ein zusätzlicher Maximalabzug geltend gemacht werden, der bei gemeinsamem Sorgerecht je hälftig aufgeteilt wird.
  • Kinderabzug: Der Kinderabzug beim gemeinsamen Sorgerecht soll hälftig aufgeteilt werden. Allerdings wird der Abzug von CHF 6'000 auf CHF 12'000 erhöht, um sicherzustellen, dass der Abzug nicht «ins Leere» fällt, wenn ein Ehepartner nicht erwerbstätig ist oder nur über ein niedriges Zweiteinkommen verfügt.

 

Schlussfolgerungen

Aufgrund der Zuteilung von Vermögen und Einkünften nach zivilrechtlichen Verhältnissen können Rechtsgeschäfte zwischen Ehepartnern relevant und notwendig werden. Im Einzelfall wird genau zu prüfen sein, ob sich zivilrechtliche Rechtsgeschäfte zwischen Ehepartnern zu Gunsten der Steuerbelastung positiv auswirken oder im Hinblick auf andere Bereiche wie beispielsweise die Nachlassplanung nicht zu empfehlen sind.

 

Offen sind auch viele Punkte rund um das gemeinsame Hauptsteuerdomizil bzw. den Wohnsitz der einzelnen Ehegatten bei einer getrennten Besteuerung. Bei einer individuellen Betrachtung des Wohnsitzes von Ehegatten aus steuerrechtlicher Sicht können in Einzelfällen sowohl Risiken als auch Potential für Steueroptimierung bestehen.

 

Anhand der zahlreichen politischen Vorstösse und Anträge scheint es momentan eine Frage der Zeit bis zur Einführung der Individualbesteuerung in der Schweiz. Das Steuerteam von Bratschi steht Ihnen dabei gerne mit seiner Expertise für Ihre individuelle Beratung zur Verfügung.

bratschiBLOG

Autoren

Buess Florence
Florence Buess
Juristische Mitarbeiterin
Zürich
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Huber Markus neu ID 5517964
Markus Huber
Rechtsanwalt
Zürich
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