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Veröffentlichungspraxis von Schiedssprüchen der «Appeals Arbitration Division des Court of Arbitration for Sport»

Gargiulo Damiano, in: bratschiLETTER Sport August 2023

Die Appeals Arbitration Division (Berufungskammer) des Court of Arbitration for Sport (CAS) ist zuständig für Berufungen gegen Entscheide von Sportverbänden, -vereinen, -organisationen sowie auch von nationalen Sportschiedsgerichten, insofern eine Schiedsvereinbarung vorliegt. Da die internationalen Sportverbände zumeist Schiedsklauseln in ihren Verbandsstatuten haben, ist die Appeals Arbitration Division praktisch die Hauptberufungsinstanz im internationalen Sport geworden (insb. betreffend Dopingstreitigkeiten). Aufgrund dieser, ja fast einzigartigen, Funktion in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit sind unterschiedliche Literaturmeinungen der Ansicht, dass die Berufungskammer des CAS die Veröffentlichungspraxis ihrer Entscheide überarbeiten sollte.[1]

Öffentlichkeit des Schiedsspruchs

Der Code of Sports-related Arbitration (CAS-Code) sieht vor, dass Schiedssprüche der Berufungskammer grundsätzlich veröffentlicht werden, es sei denn, beide Parteien erklären, dass sie die Nichtöffentlichkeit wünschen (Art. R59 Abs. 7 CAS-Code). In der Praxis werden die Parteien mit Zustellung des Schiedsspruchs gebeten, ihr Begehren nach Öffentlichkeit bzw. Nichtöffentlichkeit des Urteils zu äussern. In der Praxis erweist es sich jedoch oftmals als schwierig, die Zustimmung aller Parteien zur Veröffentlichung zu erhalten, da sich die obsiegende Partei grundsätzlich für eine Publikation äussert, während die unterlegene Partei ein Interesse an der Geheimhaltung hat, insb. wenn der Schiedsspruch sensitive Informationen, bspw. über Gesundheitszustände in Dopingstreitigkeiten, enthält.

Der Vertraulichkeit von Informationen wird dahingehend Rechnung getragen, dass der CAS die Parteien auffordert, mitzuteilen, falls sie die Geheimhaltung bestimmter verhandelter sensibler 
oder persönlicher Informationen wünschen. Die Parteien haben sodann innerhalb vorgegebener Frist mitzuteilen, ob sie bestimmte Informationen vertraulich behandelt wünschen und gegebenenfalls welche und weshalb. Gelingt es einer Partei, ein Geheimhaltungsinteresse an spezifischen Informationen zu begründen, ist der CAS verpflichtet, das Einverständnis aller beteiligten Parteien zur Vertraulichkeitsbehandlung einzuholen.

Hinsichtlich der Veröffentlichungspraxis nicht vertraulicher Schiedssprüche nach Art. R59 Abs. 7 CAS-Code bleibt sodann zu vermerken, dass der CAS nicht jeden einzelnen Schiedsspruch auf seiner Website[2] oder Datenbank[3] veröffentlicht, sondern lediglich eine limitierte Anzahl von Urteilen zur Verfügung stellt.

 

Kritik in der Literatur

Gewisse Stimmen in der Literatur kritisieren die Veröffentlichungspraxis der Berufungskammer dahingehend, dass die Veröffentlichung von Schiedssprüchen in der Disposition der Parteien liegt. Dies könne weder Interessen Dritter noch der allgemeinen Öffentlichkeit gerecht werden. Dieselben Stimmen befürworten eine Änderung des CAS-Codes, dass die Nicht-Veröffentlichung ausgeschlossen wird und allfälligen Geheimhaltungs- und Anonymitätsinteressen der Parteien mittels Kürzungen und Anonymisierungen der Schiedssprüche Rechnung getragen wird. Ein solche Regelung würde die Veröffentlichungspraxis der Berufungskammer ähnlich derer eines staatlichen Gerichts gestalten.

Des Weiteren kritisieren verschiedene Stimmen die Praxis des CAS, nicht alle Schiedssprüche öffentlich zugänglich zu machen. Denn ihres Erachtens nimmt die Berufungskammer des CAS als Rechtsmittelinstanz im organisierten Sport eine einzigartige Rolle ein, weshalb ein berechtigtes Interesse an einheitlicher Rechtsprechung sowie Rechtsfortbildung zur Gewährleistung von Chancengleichheit bestehe. Eine einheitliche sportbezogene Rechtsprechung erfordert, dass sich widersprechende Entscheide vermieden werden. Dementsprechend verlangt ein Teil der Literatur im Interesse der Rechtssicherheit, einer einheitlichen Rechtsprechung und -anwendung, der Gleichbehandlung der Parteien und der Ermöglichung der Rechtsfortbildung, dass alle CAS-Schiedssprüche in einem ersten Schritt öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Befürworter sehen darin die Vorteile, dass CAS-Schiedssprüche in einem zweiten Schritt mittels Bindungswirkung in Form von Leitentscheiden dazu führen könnten, Verbandsregelwerke fortzuentwickeln sowie eine öffentliche Diskussion der CAS-Rechtsprechung anzuregen, die schliesslich die inhaltliche Qualität der Schiedssprüche und das Vertrauen in den CAS steigerten. Den Beteiligten würde dies ausserdem ermöglichen, ihre Erfolgschancen vorauszusehen.

Als weiterer Kritikpunkt wird angeführt, dass der Sportverband bzw. die kompetente Stelle, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, jedoch nicht Partei des Verfahrens war, nach Art. R59 Abs. 6 CAS-Code eine Kopie des Schiedsspruchs erhält. Unter Berücksichtigung der Interessen des Verbandes erscheine diese Regelung zwar sachgerecht, sie fördere aber das Wissensungleichgewicht zwischen Sportler und Verband. Zur effektiven Wahrung der Rechte der Sportler sei es unabdingbar, dass sie Kenntnis aller Schiedssprüche erhalten, weshalb auch aus diesem Aspekt essentiell sei, dass alle Schiedssprüche veröffentlicht werden.

In Zusammenhang mit den obengenannten Kritikpunkten gilt es zu berücksichtigen, dass obwohl die Berufungskammer in sich wiederholenden und ähnlich gelagerten Fällen entscheidet, das Schweizer Bundesgericht kürzlich festgehalten hat, dass ein CAS-Panel weder an die Lösung eines zuvor entschiedenen Falles gebunden ist, noch verpflichtet ist, darzulegen, weshalb es einen unterschiedlichen Entscheid fällt.[4] Im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt festzuhalten, dass eine konsequentere Praxis der Veröffentlichung der Schiedssprüche der Appeals Arbitration Division eine verstärkte Vorhersehbarkeit sowie Rechtsfortbildung nicht garantiert ist. In jedem Fall zeigt der offene Diskurs hinsichtlich der Urteilsöffentlichkeit der Berufungskammer einerseits auf, dass die Sportschiedsgerichtsbarkeit klar von der Handelsschiedsgerichtsbarkeit zu unterscheiden ist und andererseits das Bedürfnis nach spezialisierten Anwälten in diesem eigenständigen Rechtsgebiet.


[1]      Der vorliegende Beitrag bezieht sich einzig auf die Öffentlichkeit der Schiedssprüche der Appeals Arbitration Division. Es wird darauf hingewiesen, dass für die Ordinary Arbitration Division und die Anti-Doping Division anderweitige Regelungen gelten.

[2]      Abrufbar unter: <https://www.tas-cas.org/en/jurisprudence/recent-decisions.html> (besucht am 6. Juni 2023).

[3]      Abrufbar unter: <https://jurisprudence.tas-cas.org/Help/Home.aspx> (besucht am 6. Juni 2023).

[4]      BGer 4A_312/2022 vom 13. September 2022, E. 3.3. a.E.; 4A_10/2022 vom 17. Mai 2022, E. 4.3.2.

Autoren

Gargiulo Damiano
Damiano Gargiulo
Substitut
Zürich
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