In der früheren – noch unter Geltung von Art. 159 Abs. 2 OG – publizierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Vorstellung, die in einem Prozess betreffend unwirtschaftliche Praxistätigkeit obsiegende Krankenversicherung habe ihre Anwaltskosten selber zu übernehmen, als «inéquitable» bzw. als stossend qualifiziert (vgl. BGE 119 V 448 E. 6a S. 456). Diese Würdigung dürfte zumindest teilweise auf der Annahme beruht haben, dass das Führen solcher Prozesse zwar zum amtlichen Wirkungskreis der Krankenversicherungen gehört, aber nicht zu ihrem Kerngeschäft. Besonders kleinere Kassen ohne eigenen Rechtsdienst wären ohne anwaltliche Unterstützung bei der Prozessführung überfordert. Mit Urteil vom 18. September 2023 (BGE 149 II 381) hat das Bundesgericht eine Änderung dieser Praxis beschlossen.
Im zu beurteilenden Fall sah sich ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, der eine eigene Arztpraxis betreibt, von mehreren Klagen seitens diverser Krankenversicherungen konfrontiert. Die Krankenversicherungen forderten, dass der Arzt von der Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ausgeschlossen sowie zur Leistung hoher Rückzahlungen verpflichtet wird. Das Schiedsgericht in Krankenversicherungsstreitigkeiten des Kantons Basel-Landschaft gab den Klagen teilweise statt und verurteilte den Arzt zu Rückzahlungen für mehrere Jahre. Der Arzt legte dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein.
Das Bundesgericht stellte fest, dass die frühere Rechtsprechung auch unter Geltung des BGG (vgl. Art. 68 Abs. 2 und 3 BGG) weitergeführt worden sei, jedoch nicht konsequent (vgl. nur BGer, Urteil 9C_485/2022 vom 20. Juni 2023, E. 7, wo ein Anspruch der obsiegenden Krankenversicherungen auf Parteientschädigung bejaht wurde, und BGer, Urteile 9C_721/2020 / 9C_722/2020 vom 19. Oktober 2021, E. 5, wo der Anspruch verneint wurde). Aufgrund der uneinheitlichen Praxis in jüngerer Zeit sah das Bundesgericht deren Überprüfung als gerechtfertigt. Das Bundesgericht hält in seinem Entscheid zunächst die Voraussetzungen für eine Praxisänderung fest: So muss sich diese auf ernsthafte sachliche Gründe stützen, insbesondere im Hinblick auf die Rechtssicherheit. Je länger die bisherige Rechtsanwendung als korrekt galt, desto gewichtiger müssen diese Gründe sein. Eine Praxisänderung ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn die neue Lösung eine bessere Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht.
In casu sah das Bundesgericht eine Änderung der Praxis aufgrund geänderter Verhältnisse als gerechtfertigt an. Als Gründe hierfür führt das Bundesgericht an:
Die blosse Tatsache, dass ein Verfahren die unwirtschaftliche Tätigkeit eines Arztes zum Gegenstand hat, reicht somit nicht mehr aus, um die unterliegende Partei zur Übernahme der Anwaltskosten der obsiegenden Krankenversicherung zu verpflichten. Eine Ausnahme ist nur in besonderen Fällen gerechtfertigt, etwa bei treuwidrigem Verhalten im Prozess.
Dieses Urteil ist zu begrüssen, zumal es die veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen korrekt reflektiert.