Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit Kapitaleinlagen und verrechnungssteuerrelevanten Kapitaleinlagereserven kürzlich einen weiteren wichtigen Entscheid gefällt.
Nachdem zunächst die steuerfreie Rückzahlung (für die Einkommenssteuer) verdeckter Kapitaleinlagen auf Stufe des Empfängers (Inhalt unseres tax blog vom Februar 2024) Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung war, bildet nun die Pflicht zur Meldung von Veränderungen der Kapitaleinlagereserven und deren Ausweis auf einem gesonderten Bilanzkonto Ausgangspunkt für den Bundesgerichtsentscheid vom 21. März 2025 (BGer 9C_690/2023).
Sachverhalt
Die A. AG erhielt im Jahr 2012 Liegenschaften im Wert von über CHF 50 Mio. (abzüglich Hypothek) aus dem Nachlass ihrer verstorbenen Aktionärin. Sie verbuchte den Vermögenszufluss erfolgsrelevant und bildete Rückstellungen für die Erbschaftssteuern. Die Steuerverwaltung akzeptierte dieses Vorgehen nicht. Daraufhin wurde von der A. AG der gesamte Brutto-Vermögenszufluss aus der Erbschaft erfolgsneutral auf die Gewinnreserven gebucht und dort als Bilanzposition weitergeführt. (Das Bundesgericht entschied 2017 in einem späteren, separaten Verfahren, dass bloss der Nettozufluss als Einlage eingebucht werden könne. Die Erbschaftssteuern reduzierten somit den Zufluss bei der Gesellschaft.)
Im Jahr 2016 wies die A. AG den Zufluss aus dem Vermächtnis erstmals als „Reserve aus Kapitaleinlagen“ in ihrer Bilanz aus. Die A. AG schüttete in der Folge im Jahr 2017 eine Dividende in Höhe von CHF 1'080'000.– aus diesen Reserven aus – nach ihrer Auffassung als Rückzahlung aus Kapitaleinlagereserven und demzufolge verrechnungssteuerfrei.
Per 31.12.2017 wurde durch die A. AG auf Basis des zwischenzeitlich ergangenen und oben erwähnten Bundesgerichtsentscheid die „Reserve aus Kapitaleinlagen“ netto ausgewiesen, d.h. um die Erbschaftssteuer gekürzt. Dieser Endbestand wurde im Februar 2018 gegenüber der Eidgenössischen Steuerverwaltung („ESTV“) mittels Formular 170 gemeldet und die Emissionsabgabe darauf bezahlt. Die ESTV erkannte die Kapitaleinlagereserven jedoch nicht an und forderte daher auch Verrechnungssteuer auf der Dividende. Die Streitsache wurde nun letztinstanzlich durch das Bundesgericht entschieden.
Ansicht des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hat sich in seinem Urteil vom 21. März 2025 vertieft mit der Auffassung der ESTV auseinandergesetzt und die Beschwerde der A. AG im Grundsatz gutgeheissen.
Entscheidend war insbesondere die Frage der gesonderten Verbuchung und der zeitlichen Anforderungen gemäss Art. 5 Abs. 1bis des Verrechnungssteuergesetzes („VStG“).
Das Bundesgericht stellte folgende Punkte klar:
1. Kapitaleinlage lag durch das Vermächtnis vor: Das Gericht bestätigte, dass es sich bei dem Vermächtnis um eine Kapitaleinlage im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG handelte. Entscheidend sei, dass durch das Vermächtnis das Eigenkapital der Gesellschaft vermehrt wurde – unter Abzug der übernommenen Hypotheken und der bezahlten Erbschaftssteuer – und dieser Zufluss von der Aktionärin selbst stamme.
2. Gesonderter Ausweis ist auch nachträglich möglich: Die Pflicht zur Verbuchung auf einem gesonderten Konto in der Handelsbilanz besteht zwar, aber es ist nicht erforderlich, dass dieser Ausweis bereits zum Zeitpunkt der Leistung oder zeitnah erfolgt. Eine spätere, handelsrechtskonforme Umbuchung von offenen Kapitaleinlagen ist zulässig, etwa durch einen Gewinnverwendungsbeschluss. Der Nachvollzug ist zulässig, wenn die ursprüngliche Buchung nicht fehlerhaft war und die später vorgenommene Korrektur klar nachvollziehbar ist und offen dokumentiert wird.
3. Meldepflicht wurde erfüllt: Das Bundesgericht hat bestätigt, dass die Meldepflicht nicht bloss eine Ordnungsvorschrift darstellt, sondern konstitutive Voraussetzung für eine steuerfreie Rückzahlung ist. Es genügt jedoch, wenn die Meldung spätestens bei der Rückzahlung korrekt erfolgt. Im konkreten Fall war diese Voraussetzung zum Zeitpunkt der Ausschüttung 2017 nicht erfüllt, weshalb für diesen Vorgang zu Recht Verrechnungssteuer erhoben wurde.
Im vorliegenden Fall waren somit die Reserven per Ende 2017 steuerlich anzuerkennen. Die A. AG hatte zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen (gesonderter Ausweis und Meldung) erfüllt, weshalb das Bundesgericht den Bestand an Kapitaleinlagereserven per 31. Dezember 2017 auch anerkannte.
Fazit
Insgesamt passte das Bundesgericht damit die strenge Verwaltungspraxis der ESTV an, wonach nur zeitnahe Verbuchungen und Meldungen die Voraussetzungen für die Annahme von Kapitaleinlagereserven erfüllen.
Das Bundesgericht hat klargestellt: Die steuerfreie Rückzahlung von Kapitaleinlagen setzt zwar eine gesonderte Verbuchung voraus, doch darf diese auch nachträglich erfolgen, wenn sie formell korrekt und handelsrechtlich zulässig ist. Die Meldung an die ESTV mittels Formular 170 kann mithin ebenfalls nachträglich erfolgen, ist gleichzeitig jedoch konstitutiv für die verrechnungssteuerfreie Ausschüttung der Reserven.