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real estate blog: Bundesgericht kippt das Rückkehrrecht der Mieter im Basler Wohnraumfördergesetz (Urteil des Bundesgerichts 1C_759/2021)

Giavarini Marco, in: bratschi real estate blog, March 2023

§ 8 Abs. 3 lit. a des Basler Wohnraumfördergesetzes (WRFG/BS) sah vor, dass eine Bewilligung für Umbau-, Renovations- oder Sanierungsarbeiten nur erteilt wird, wenn den bisherigen Mietern ein Rückkehrrecht in die sanierte oder umgebaute Liegenschaft gewährt wird – Das Bundesgericht hat diese Bestimmung wieder aufgehoben – Dabei hat es ein öffentliches Interesse an einem voraussetzungslosen Rückkehrrecht verneint und die Bestimmung als kantonale privatrechtliche Bestimmung qualifiziert, die gegen höherrangiges Bundesrecht verstösst.

Aufgrund der Annahme der Volksinitiative «Ja zum ECHTEN Wohnschutz» wurden verschiedene Paragraphen des Basler Wohnraumfördergesetzes (WRFG/BS) geändert. Die neuen Bestimmungen enthalten eine Vielzahl von einschränkenden Regelungen im Zusammenhang mit dem Abbruch und der Sanierung von Liegenschaften. In Zeiten der Wohnungsnot (Leerwohnungsbestand 1.5% oder weniger) werden zum Beispiel sämtliche Umbau-, Renovations- und Sanierungsarbeiten, die über den einfachen Unterhalt hinausgehen, einer Bewilligungspflicht und einer auf fünf Jahre befristeten Mietpreiskontrolle unterstellt. Für die Zeit der Mietpreiskontrolle werden die mietrechtlich zulässigen Mietzinserhöhungsmöglichkeiten infolge von Sanierungsarbeiten erheblich eingeschränkt. In § 8a Abs. 3 lit. a WRFG war zudem vorgesehen, dass die Bewilligung nur erteilt werden darf, wenn den Mietparteien das Recht zur Rückkehr in die sanierte oder umgebaute Liegenschaft zusteht. Das Bundesgericht hat im Entscheid 1C_759/2021 vom 19. Dezember 2022 unter anderem die obgenannte Bestimmung zum Rückkehrrecht der Mieter aufgrund einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einer abstrakten Normenkontrolle unterzogen. Dabei ist es zum Schluss gekommen, dass das voraussetzungslose Rückkehrrecht der bisherigen Mieter gemäss § 8a Abs. 3 WRFG nicht als kantonale öffentlich-rechtliche Vorschrift, welche im öffentlichen Interesse liegt, zu qualifizieren ist, sondern als privatrechtliche Vorschrift, welche gegen höherrangiges Bundesrecht verstösst. Aus diesem Grund wurde das Rückkehrrecht der Mieter gemäss § 8a Abs. 3 WRFG vom Bundesgericht aufgehoben.

Die Unterscheidung zwischen kantonaler öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Vorschrift ist insofern von Relevanz, weil die Einführungsbestimmungen zum ZGB den Kantonen die Kompetenz geben, öffentlich-rechtliche Bestimmungen zu erlassen, die unter gewissen Voraussetzungen (schutzwürdiges öffentliches Interesse / kein Verstoss gegen den Sinn und Geist des Zivilrechts) in das Bundeszivilrecht eingreifen dürfen (Art. 6 ZGB). Zivilrechtliche kantonale Bestimmungen sind jedoch nur zulässig, soweit das Bundesrecht die Geltung kantonalen Rechts vorbehält (Art 5 ZGB). Bei kantonalen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist der Vorrang des Bundesrechts somit eingeschränkt, während er bei privatrechtlichen Vorschriften voll zum Tragen kommt.

Der vorliegende Entscheid des Bundesgerichts setzt sich im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle beispielhaft mit dieser Unterscheidung zwischen kantonalen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Vorschriften auseinander. Die Bewilligungspflicht für Umbau- und Abbruchvorhaben und die zeitlich begrenzte Mietpreiskontrolle in Zeiten der Wohnungsnot werden zum Beispiel als zulässig erachtet, weil diesen Massnahmen zur Bekämpfung von Mietknappheit ein schutzwürdiges öffentliches Interesse zugrunde liegt. Im Gegensatz dazu kommt das Bundesgericht jedoch beim Rückkehrrecht zum Schluss, dass es sich dabei um eine zivilrechtliche Bestimmung handelt, die nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, sondern vor allem den privaten Interessen der bisherigen Mietparteien dient. Dabei hat insbesondere auch eine Rolle gespielt, dass das Rückkehrrecht nicht auf bezahlbaren Mietwohnraum beschränkt ist und auch nicht auf einen Personenkreis, der dieses Schutzes besonders bedürfen würde.

Die Aufhebung des Rückkehrrechts der bisherigen Mieter durch das Bundesgericht ist für Umbau- und Sanierungsvorhaben von grosser Bedeutung, weil diese Bestimmung Grundrissveränderungen (Schaffung von grösseren Wohnungen oder von kleineren Wohnungen wie bisher) praktisch verunmöglicht hat, weil den bisherigen Mietern die Rückkehr in die bisherige Wohnung oder eine nach Lage, Grösse, Zimmerzahl und Ausstattung vergleichbare Wohnung gewährt werden musste.

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Marco Giavarini
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Basel
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