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real estate blog: Die zulässige Mietzinserhöhung nach wertvermehrenden Investitionen (Urteil des Bundesgerichts BGer 4A_75/2022 vom 30. Juli 2024)

Frischknecht Tanja, in: bratschi real estate blog, Dezember 2024

Das Bundesgericht hat einen neuen Leitentscheid gefällt und mit diesem klargestellt, dass zur Berechnung der zulässigen Mietzinserhöhung bei Mehrleistungen des Vermieters (Art. 260a lit. b OR i.V.m. Art. 14 VMWG) die wertvermehrenden Investitionen zum gleichen Satz zu verzinsen sind wie der erlaubte Nettoertrag bei Überprüfung des Anfangsmietzinses. Entsprechend ist auch bei wertvermehrenden Investitionen ein Ertrag erlaubt, der den Referenzzinssatz – solange dieser 2% oder weniger beträgt – um 2% übersteigt. Beim aktuellen Referenzzinssatz von 1.75% beträgt demnach der zulässige Ertrag 3.75%. Damit hat das Bundesgericht betreffend den erlaubten Nettoertrag des Eigenkapitals die seit der ergangenen Praxisänderung des Bundesgerichts im Jahr 2020 (vgl. BGE 147 III 14) herrschende Rechtsunsicherheit, welcher Ertrag bei Mehrleistungen des Vermieters zulässig ist, beseitigt.

Aufgrund einer Beschwerde in zivilrechtlichen Angelegenheiten hat sich das Bundesgericht im Entscheid BGer 4A_75/2022 vom 30. Juli 2024 damit auseinandergesetzt, welcher Ertrag bei einer Erhöhung des Mietzinses aufgrund einer umfassenden Sanierung einer 5-Zimmer-Wohnung in Genf zulässig ist. 
Gemäss Art. 14 Abs. 4 VMWG sind Mietzinserhöhungen infolge wertvermehrender Investitionen und energetischer Verbesserungen nicht missbräuchlich, wenn sie den angemessenen Satz für Verzinsung, Amortisation und Unterhalt der Investition nicht überschreiten. Von den drei Berechnungselementen wurden die Amortisationskosten (Abschreibung des investierten Kapitals über 23 Jahre) sowie die zukünftigen Unterhaltskosten (in der Höhe von 10% der Kapitalverzinsung und der Amortisation) nicht bestritten. Folglich musste das Bundesgericht nur die Auswirkung der Zinsen des wertvermehrenden Kapitals auf den Mietzins prüfen.

 

Nach der Rechtsprechung entspricht der zulässige Ertragssatz dem zum Zeitpunkt der Mitteilung der Mietzinserhöhung geltenden hypothekarischen Referenzzinssatz zuzüglich eines bestimmten Prozentsatzes. Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen (vor der Praxisänderung im Jahr 2020 ergangenen) Rechtsprechung einen Zuschlag von 0,5% als zulässig erachtet. Bei der Kapitalverzinsung kann sowohl das Eigenkapital als auch das Fremdkapital berücksichtigt werden. Zu beachten ist jedoch, dass mit fortschreitender Abschreibung das noch zu verzinsende investierte Kapital abnimmt. Als Verzinsung kann daher entweder der volle Ertragssatz auf die Hälfte der Mehrwertinvestitionen angewendet werden oder – was zum gleichen Ergebnis führt – der halbe Ertragssatz auf das gesamte zu verzinsende Kapital berücksichtigt werden (BGE 118 II 415 E. 3 c/aa).

 

Strittig war im vorliegenden Verfahren, wie hoch dieser Ertragssatz sein darf bzw. konkret welcher Prozentsatz zum geltenden hypothekarischen Referenzzinssatz dazugeschlagen werden kann. Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang festgehalten, dass gemäss der im Jahr 2020 geänderten Praxis im Rahmen der Überprüfung des Anfangsmietzinses ein Nettoertrag zulässig ist, der den Referenzzinssatz um 2% übersteigt, solange der Referenzzinssatz 2% oder weniger beträgt (BGE 147 III 14). Diese Berechnungsweise sei aufgrund der bestehenden Parallelität auch bei der Festlegung des zulässigen Ertrages bei einer Mietzinserhöhung aufgrund wertvermehrender Investitionen anzuwenden. Denn bereits unter der vor der Praxisänderung ergangenen Rechtsprechung sei der zulässige Ertrag infolge wertvermehrender Investitionen und der erlaubte Nettoertrag bei der Prüfung des Anfangsmietzinses identisch festgelegt worden. Damit werde auch dem vom Gesetzgeber mit der Regelung von Art. 14 VMWG angestrebten Ziel, die Vermieter zu ermutigen, auch Arbeiten vorzunehmen, die über den notwendigen Unterhalt hinausgehen, angemessen Rechnung getragen.

 

Mit diesem Entscheid hat das Bundesgericht im Einklang mit der ergangenen Praxisänderung klargestellt, dass auch bei wertvermehrenden Investitionen ein Ertragssatz zulässig ist, der den geltenden Referenzzinssatz um 2% übersteigt, solange der Referenzzinssatz 2% oder weniger beträgt.

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Tanja Frischknecht
Rechtsanwältin, Partnerin, Notarin
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