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zivilprozessrecht blog: Die Behauptungs- und Substantiierungslast der Prozessparteien im summarischen Verfahren (BGer 5A_822/2022 vom 14.03.2023)

Heim Bigna, in: bratschi Zivilprozessrecht blog, 2023

Die beschwerdeführende Unternehmerin (A. AG) hatte beim Handelsgericht des Kantons Zürich am 06.07.2022 ein (superprovisorisches) Gesuch für die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zulasten der Grundstückeigentümerin (Stiftung B.) gestellt; dies im Zusammenhang mit mündlich beauftragten und von ihr als Subunternehmerin der F. GmbH ausgeführten Baumeisterarbeiten im Zusammenhang mit dem Umbau eines Supermarktes auf dem zu belastenden Grundstück. Vertragspartnerin der Unternehmerin aus dem behaupteten Werkvertrag war nicht die Grundstückeigentümerin selbst, sondern die F. GmbH, welche ihrerseits wiederum von einer von der Grundstückeigentümerin für diesen Umbau beigezogenen Generalplanerin (E. AG) für Baumeisterarbeiten beauftragt worden war. Das Handelsgericht wies das Grundbuchamt ohne Anhörung der Gegenpartei am 07.07.2022 an, zugunsten der A. GmbH das Bauhandwerkerpfandrecht antragsgemäss in der Höhe von CHF 33'094.90 zzgl. Zins vorläufig einzutragen, setzte der Grundstückeigentümerin gleichzeitig eine Frist zur Stellungnahme und verlangte von der A. AG die Nachreichung der Anwaltsvollmacht und eines Teils der eingereichten Gesuchsbeilagen in besserer (lesbarer) Qualität. Die A. AG reichte fristgerecht per 14.07.2022 nicht nur die Vollmacht und die geforderten lesbaren Kopien der Gesuchsbeilagen nach, sondern ergänzte ihr Gesuch auch noch inhaltlich mit ergänzenden Tatsachenbehauptungen in ihrem gleichzeitig eingereichten Begleitschreiben. Das Handelsgericht sendete diese Eingabe vom 14.07.2022 umgehend an B. Mit ihrer Gesuchsantwort vom 27.07.2022 erklärte die Grundstückeigentümerin daraufhin der F. GmbH den Streit und verlangte die Abweisung des Gesuchs. Die F. GmbH reagierte auf die Streitberufung nicht und auch die Unternehmerin reagierte nicht auf die Gesuchsantwort. Mit Entscheid vom 20.09.2022 wies das Handelsgericht daraufhin das Gesuch vollumfänglich und kostenfällig zulasten der A. GmbH ab und wies das Grundbuchamt an, das provisorisch vorgemerkte Bauhandwerkerpfandrecht wieder zu löschen. Gegen diesen Entscheid erhob die A. GmbH Beschwerde beim Bundesgericht.
 

Die Beschwerdeführerin machte vor Bundesgericht insbesondere eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK) geltend, weil das Handelsgericht ihre ergänzenden Ausführungen in ihrer Eingabe vom 14.07.2022 im Rahmen seiner Beurteilung des Gesuchs nicht berücksichtigt hatte und infolge der Bestreitung ihrer Behauptungen durch die B. in deren Gesuchsantwort im Ergebnis davon ausging, die A. GmbH habe ihren Pfandanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und erinnerte daran, dass im summarischen Verfahren i.d.R. der Aktenschluss für die Gesuchstellerin mit der Einreichung ihres Gesuchs erfolge und keine Partei Anspruch darauf habe, sich in der Sache (in einem zweiten Schriftenwechsel oder einer mündlichen Hauptverhandlung) zweimal zu äussern (E. 3.3.6.1 und 3.3.6.2). Im Rahmen des Nachbesserungsrechts nach Art. 132 Abs. 2 ZPO könnten mangelhafte Eingaben nur hinsichtlich behebbaren formalen Mängeln nachgebessert werden. Nicht erlaubt sei eine inhaltliche Ergänzung der zu verbessernden Eingabe (E. 3.3.1). Im Rahmen des Replikrechts (Art 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 29 Abs. 1 und 2 BV) könne nur noch zu in die Akten des Verfahrens aufgenommenen Eingaben Stellung genommen werden, inhaltliche Ergänzungen seien, wenn überhaupt, nur unter den Bedingungen des Novenrechts (Art. 229 bzw. 317 ZPO) zulässig (E. 3.3.3). Vielmehr müsse die gesuchstellende Partei ihren Tatsachenvortrag bereits in ihrem Gesuch in Erwartung der gegnerischen Bestreitungen hinreichend substantiieren. Das Gericht sei (im Rahmen der Verhandlungsmaxime) auch unter den Anforderungen des reduzierten Beweismasses des Glaubhaftmachens in die Lage zu versetzen, auf der Grundlage von hinreichend substantiiert behaupteten Tatsachen darüber zu entscheiden, ob eine bestimmte Tatsache strittig und damit zum Gegenstand des Beweises zu machen sei (Art. 150 Abs. 1 ZPO; E. 4.5). Behaupte eine Partei eine Tatsache gar nicht oder gelinge es ihr nicht, eine bestrittene Tatsache hinreichend zu substantiieren, erübrige sich eine Beweisabnahme, weil diesfalls die gegnerische Tatsachenbehauptung als anerkannt gelten müsse (E. 4.5). Sehe das Gericht den Sachvortrag einer Partei also als nicht hinreichend substantiiert an, so gelte der Tatsachenvortrag der Gegenseite als anerkannt, und zwar i.d.R. ohne, dass ein Beweisverfahren durchgeführt werde. Daran vermöchten auch prozesskonform gestellte Beweisanträge nichts zu ändern, denn fehlende tatsächliche Darlegungen liessen sich nicht im Rahmen des Beweisverfahrens ersetzen (E. 4.4).

 

Zusammenfassung

Insbesondere anwaltlich vertretene Gesuchsteller/innen müssen also darauf achten, dass sie im summarischen Verfahren in ihrem Gesuch einen hinreichend substantiierten Sachvortrag präsentieren und diesen bereits in Erwartung der Bestreitung durch die gegnerische Partei mit allen möglichen Beweisen und Beweisanträgen unterlegen. 

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Heim bigna
Bigna Heim
Attorney at law, Counsel
St.Gallen
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