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Auswirkungen der neuen Nachhaltigkeitsanforderungen beim Bauen in der Schweiz auf Verträge der Bauherrschaft mit Planern und Unternehmern

Heim Bigna und Schönenberger Thomas, in: bratschiLetter Real Estate, November 2024

Die Realisierung eines (in allen drei Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt) «nachhaltigen» Bauwerks und der damit verbundenen Zusatzchancen, -risiken und -kosten macht das Bauen in Zukunft sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht noch anspruchsvoller. 

Die Bauherrschaft ist dabei gut beraten, über alle Stufen ihres Projekts auch der vertraglichen Regelung dieses Themas von Anfang an hinreichend Aufmerksamkeit zu schenken. Dies beginnt bereits bei der Definition der Parameter des Bauwerks unter den neuen gesetzlichen Nachhaltigkeitsvorgaben und setzt sich fort über die Auswahl der Planer und Unternehmer, die Projektierung, Materialwahl und Bauweise, bis hin zur Dauer der zu vereinbarenden Garantie-, Rüge- und Verjährungsfristen z.B. hinsichtlich der Mängelrechte für verwendete Recyclingmaterialien. 

 

Eine gute Vertragsredaktion bei den Planer- und Werkverträgen mit einzuhaltenden Normen und Anforderungen sowie technischen Vorgaben, einer transparenten und fairen Chancen- und Risikoverteilung zwischen der Bauherrschaft und ihren Planern und Unternehmern wirkt sich denn erfahrungsgemäss auch präventiv auf das Risiko späterer, oft langandauernder und teurer Rechtsstreitigkeiten zwischen den Baubeteiligen aus.

 

Zum Thema «Nachhaltigkeit» sind im Rahmen der Vertragsverhandlungen und der schriftlichen Vertragsredaktion seitens der Bauherrschaft unter anderem nachfolgende Themen miteinzubeziehen bzw. Punkte zu beachten:

 

  • Vereinbarung von Nachhaltigkeitskriterien: Verträge müssen spezifische Nachhaltigkeitskriterien wie Energieeffizienz, CO2-Reduktion und Vereinbarungen über die Verwendung umweltfreundlicher und allenfalls wiederverwendbarer bzw. rezyklierfähiger Materialien festhalten. 

     

  • Benennung der für das konkrete Bauwerk einschlägigen rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen im Vertrag: Die für das konkrete Bauprojekt einschlägigen nationalen, kantonalen und allenfalls auch kommunalen Nachhaltigkeitsvorschriften, welche teilweise auch in technischen Normen konkretisiert sind, sollten in den Verträgen explizit benannt werden, um rechtliche und technische Konformität der vom Planer / Unternehmer zu erbringenden Leistungen zu gewährleisten. Dies gilt auch für vom Bauherrn darüber hinaus angestrebte, weitergehende Nachhaltigkeitsziele, deren Erreichung für den Vertragspartner verbindlich sein soll.

     

  • Absicherung der vertraglich definierten Nachhaltigkeitsziele mittels Vereinbarung von Seiten des Unternehmers beizubringender Zertifizierungen und Nachweise: Es sollte bei der Vertragsredaktion darauf geachtet werden, dass Bauunternehmen und Planer Zertifizierungen wie z.B. Minergie (-P/-A/-ECO)-Nachweise oder das Schweizer Nachhaltigkeitslabel SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) für das Bauwerk und/oder Areal vorweisen bzw. erhältlich machen müssen, um die Einhaltung der vereinbarten Nachhaltigkeitsstandards am Bauwerk und/oder am Areal zu belegen.

     

  • Vertragliche Regelungen betr. Kosten und Finanzierung von zu realisierenden Nachhaltigkeitsmassnahmen: Die Einhaltung von Nachhaltigkeitsanforderungen kann zu höheren Anfangskosten, gleichzeitig aber zu später tieferen Betriebskosten führen, was in den Verträgen berücksichtigt werden sollte. Zu beachten sind insbesondere auch die Möglichkeiten von Fördermitteln und/oder die Nutzung steuerlicher Anreize bei nachhaltigem Bauen, um die für die Realisierung von Nachhaltigkeitsmassnahmen erhöhten Kosten wenigstens teilweise ausgleichen zu können. In den Verträgen sollte diesbezüglich zwischen den Vertragsparteien geregelt werden, welche der Parteien z.B. für die rechtzeitigen Abklärungen und rechtzeitigen Anträge bei Behörden für Fördergelder zuständig sein soll. Weiter sollte vertraglich definiert werden, in welcher Art bzw. Form die notwendigen Unterlagen, Belege und Nachweise von der Vertragsgegenpartei beizubringen sind, um die angestrebten Fördergelder erfolgreich beantragen und erhalten zu können bzw. um von steuerlichen Vorteilen/Abzügen profitieren zu können. 

     

  • Vereinbarung zusätzlicher langfristiger Verpflichtungen zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks: Gemäss den einschlägigen rechtlichen Vorschriften und den einschlägigen SIA-Ordnungen sind die Gewährleistungsrechte des Bauherrn für Planungsfehler und Mängel am Bauwerk oder an einzelnen Bauwerksteilen (wie z.B. Solarpanelen) gegenüber seinen Vertragspartnern i.d.R. auf einen Zeitraum weit unter der Lebensdauer des Bauwerks zeitlich limitiert. Um die Nachhaltigkeitsstandards über die Lebensdauer des Bauwerks sicherzustellen, ist demnach zu überlegen, ob mit der Vertragsgegenpartei im Einzelfall zusätzliche langfristige Verpflichtungen für die Wartung und die Überwachung des Bauwerks oder eines spezifischen Bauwerkteils vereinbart werden sollen, um sicherzustellen, dass die bei Fertigstellung der Baute erreichten Nachhaltigkeitsstandards über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks eingehalten werden können.

     

  • Nachhaltige Risikoverteilung: Nachhaltigkeit in Verträgen mit Bezug auf deren «soziale» Auswirkungen kann sich auch darin manifestieren, dass eine faire Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien z.B. für die Einhaltung von Nachhaltigkeitsanforderungen an das Bauwerk vereinbart werden.

     

  • Absicherung der vertraglich definierten Nachhaltigkeitsziele durch Vertragsstrafen (Konventionalstrafe bzw. Schadenersatzpauschalen) sowie mittels positiver Anreize: Es ist zu überlegen, ob die Verträge Klauseln enthalten sollen, die Strafen für die Nichteinhaltung von vereinbarten Nachhaltigkeitszielen und/oder Anreize für deren Erfüllung vorsehen und wie diese inhaltlich ausgestaltet werden sollen (z.B. positiven Anreiz setzen durch die Vereinbarung einer zusätzlichen Belohnungspauschale für den Unternehmer oder GU/TU bei Erreichen der definierten Nachhaltigkeitsziele innerhalb eines bestimmten Zeitraums und Kostendachs). Jedenfalls sind Vereinbarungen über Nachhaltigkeitsverpflichtungen des Vertragspartners ohne rechtswirksame Absicherung derselben meist ein «stumpfes Schwert».

     

  • Es wird empfohlen, die Vereinbarung von vertraglich verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien und -anforderungen an ein zu erstellendes Bauwerk im Hauptvertrag, nicht ausschliesslich oder auch zusätzlich noch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zum Hauptvertrag zu treffen, und zwar aus verschiedenen Gründen. So leidet die Transparenz der Vereinbarungen in den oft umfangreichen Vertragswerken, wenn Vertragsklauseln zu demselben Thema in verschiedenen Vertragsteilen verortet werden. Im Rahmen der Vertragsredaktion und der später allenfalls notwendigen Vertragsauslegung besteht gleichzeitig ein erhöhtes Risiko für Auslegungsschwierigkeiten oder gar für die Nichtanwendbarkeit bzw. Nichtdurchsetzbarkeit von AGB-Klauseln, was letztlich die Rechtssicherheit für alle Beteiligten mit Bezug auf das vertraglich Vereinbarte beeinträchtigt. Gewarnt wird aus denselben Gründen auch vor der unkritischen, unveränderten Verwendung von Vertragsmustern (z.B. der SIA oder der KBOB) oder von der unkritischen Übernahme von Verhaltenskodizes in das Vertragswerk. 

 

 

Um böse Überraschungen zu vermeiden, sind Bauherren deshalb gut beraten, sich für die Vertragsredaktion vertiefte vertragsrechtliche Expertise anzueignen oder beizuziehen.

Auteurs

Bigna Heim
Bigna Heim
Avocate, Counsel
Saint-Gall
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Schoenenberger Thomas
Thomas Schönenberger
Avocat, Associé, Notaire
Co-Head Construction, immobilier et hôtellerie
Saint-Gall
Au profil

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