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Korruption und Schweizer Unternehmen – Welches sind die Herausforderungen?

Wind Christian, in: bratschiLETTER Compliance April 2024

Laut einer neusten Studie von Transparency International und der Fachhochschule Graubünden («Studie») ist fast jedes zweite Schweizer Exportunternehmen mit Forderungen nach Schmiergeldzahlungen oder Geschenken konfrontiert und jedes dritte zahlt. In der EU liegt ein Entwurf einer Richtlinie vor, wonach strengere Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung eingeführt werden sollen. Was heisst das alles für Schweizer Unternehmen?

1. Einleitung

 

Vorerst sind die Begriffe im Zusammenhang mit Korruption zu schärfen und die strafrechtliche Lage in der Schweiz nochmals in Erinnerung zu rufen, da es immer wieder zu Missverständnissen kommt. Zweitens lassen sich aus der erwähnten Studie spannende Erkenntnisse gewinnen und drittens gilt es vorausschauend zu antizipieren, was die Auswirkungen der möglichen neuen und strengeren Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung in der EU sein könnten.

 

2. Wie ist Korruption in der Schweiz geregelt?

 

«Korruption» ist kein im Strafgesetzbuch definierter Begriff. Ganz allgemein versteht man darunter jeden Missbrauch einer Vertrauensstellung zu Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils. Korruption könnte man als den Oberbegriff zu den gesetzlichen Begriffen im Strafgesetzbuch Bestechung, Bestechlichkeit, unerlaubte Vorteilsgewährung und unerlaubte Vorteilsannahme bezeichnen.

 

Unter Amtsträgerbestechung versteht man eine Handlung, bei welcher einem Amtsträger im Zusammenhang mit dessen amtlicher Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten ein nicht gebührender Vorteil angeboten, versprochen oder gewährt wird.

 

Mit unerlaubter Vorteilsgewährung sind unerlaubte Vorteile (Geschenke) an Amtsträger gemeint, die allgemein im Hinblick auf die künftige oder eine beschleunigte Amtsführung gewährt oder angenommen werden. Umgangssprachlich wird auch von «Klimapflege», «Anfüttern», «Beschleunigungszahlungen», «Facilitation Payment» oder «Schmiergeld» gesprochen. Wird ein Facilitation Payment dafür angeboten, dass der Amtsträger das Gesuch überhaupt bearbeitet, liegt in aller Regel blosse unerlaubte Vorteilsgewährung vor. Solche Handlungen sind in der Schweiz nur strafbar, wenn sie gegenüber inländischen Amtsträgern erfolgen. Wird ein Facilitation Payment jedoch dafür angeboten, dass der Amtsträger das Gesuch zum Nachteil Dritter schneller als vorgeschrieben oder üblich bearbeitet, liegt Bestechung vor. In diesem Fall ist auch die Bestechung eines ausländischen Amtsträgers in der Schweiz grundsätzlich strafbar.

 

In der nachfolgenden Matrix ist aufgelistet (mit einem X gekennzeichnet), welche Delikte in der Schweiz betreffend in- oder ausländische Amtsträger oder Private strafbar sind:

Nicht strafbar sind folglich in der Schweiz die unerlaubte Vorteilsgewährung/-annahme an/von ausländischen Amtsträgern und generell die private Vorteilsgewährung/–annahme in der Schweiz und im Ausland.

 

3. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie?

 

Gemäss der 539 befragten Schweizer Unternehmen der Studie «Auslandkorruption bei Schweizer Unternehmen - neue Erkenntnisse zu Risiken und Gegenstrategien» [1] ist jedes zweite mit Forderungen nach Schmiergeldzahlungen konfrontiert und jedes dritte kommt dem tatsächlich nach. Gemäss Studie beträgt der aufgewendete Betrag für informelle Zahlungen und Geschenke unter der Hand im Schnitt 5.6% des Umsatzes im jeweiligen Zielland. Dabei sind kleine und mittlere Unternehmen genauso betroffen wie Grossunternehmen.

 

Insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen werden gemäss eigenen Angaben im Falle von privaten Aufträgen bei rund 70% und im Falle von öffentlichen Aufträgen bei rund 60% informelle Zahlungen erwartet. Dass man diesem Verlangen nicht tatenlos zusieht, wird dadurch bestärkt, dass 13% der befragten Unternehmen in den letzten fünf Jahren aufgrund von Korruptionsrisiken von einem Markteintritt abgesehen, resp. 12% einen Exit gemacht haben.

 

Gemäss der Studie soll es trotz Ausbau der Korruptionsprävention in den letzten Jahren aktuell gleich häufig oder sogar zu mehr Korruptionshandlungen gekommen sein als vor zehn Jahren. Als Gründe werden Lücken in der Prävention, Mängel bei der internen Umsetzung von Massnahmen, eine zu geringe Sensibilisierung, ein zu grosser Risikoappetit (nur bei 30% der befragten Unternehmen eine klare Nulltoleranzkommunikation bei Korruption durch die Geschäftsleitungen) und eine zu spärliche Strafverfolgung (nur 11 rechtskräftige Verurteilungen in den letzten 20 Jahren) aufgeführt.

 

Berücksichtigt man, dass rund ein Viertel der befragten Unternehmen weder über verbindliche Richtlinien betreffend Korruption verfügt, noch Geschäftspartnerprüfungen durchführt und nur die Hälfte ihre Mitarbeitenden und Führungskräfte über Korruptionsprävention schult und keine unabhängige Meldestelle etabliert hat, zeigt sich klar, wo der Hebel anzusetzen wäre.

 

4. Welche strengeren EU-Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung sind geplant?

 

Im Frühjahr 2023 wurde der Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption («E-RL»)[1] vorgestellt und erfuhr insbesondere in Deutschland heftige Kritik. Schätzungen gehen davon aus, dass Korruption die EU-Wirtschaft jährlich mit mindestens EUR 120 Mrd. belastet. So verwundert es nicht, dass die EU-Kommission gewillt ist, vehement dagegen vorzugehen.

 

Bestechungen und Bestechlichkeit im privaten Sektor (Art. 8 E-RL) wird mit denjenigen im öffentlichen Sektor (Art. 7 E-RL) gleichgestellt. Abgedeckt werden sollen auch die Straftaten Veruntreuung (Art. 9 E-RL), unerlaubte Einflussnahme (Art. 10 E-RL), Amtsmissbrauch (Art. 11 E-RL), Behinderung der Justiz (Art. 12 E-RL), Bereicherung durch Korruptionsdelikte (Art. 13 E-RL) und Anstiftung, Beihilfe und Versuch (Art. 14 E-RL).

 

Je nach Straftat ist für natürliche Personen mit Freiheitsstrafen von mindestens 4 (Art. 13 E-RL), 5 (Art. 8-11 E-RL) oder 6 (Art. 7 und 12 E-RL) Jahren, Geldbussen, Abberufung, Suspendierung oder Ausschluss von der Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe, der Entziehung von Genehmigungen oder Zulassungen oder der Ausschluss vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung, Ausschreibungsverfahren, Beihilfen und Genehmigungen zu rechnen (Art. 15 E-RL).

 

Doch auch die juristische Person kann in zwei Fällen zur Verantwortung gezogen werden. Zum einen, wenn eine Leitungsperson selbst eine Straftat begangen hat oder zum anderen mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine Leitungsperson die Begehung einer Straftat ermöglich hat (Art. 16 E-RL). 

 

Was die Sanktionen betrifft, so sollen diese wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein. Dazu gehören u.a. Bussen von mindestens 5% des weltweiten Gesamtumsatzes, Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen und der Vergabe öffentlicher Aufträge, Verbot der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen, Möglichkeit der Behörden einen Vertrag aufzuheben oder davon zurückzutreten, Unterstellung unter richterliche Aufsicht, gerichtlich angeordnete Auflösung oder Schliessung von Einrichtungen (Art. 17 E-RL). Bei der Bemessung der Sanktionen sind erschwerende und mildernde Umstände zu berücksichtigen (Art. 18 E-RL).

 

Die Verjährungsfristen dürfen je nach Straftat nicht kürzer sein als 8, 10 oder 15 Jahre (Art. 21 E-RL) und Personen, die Straftaten melden oder Ermittlungen unterstützen sind nach Massgabe der Melderichtlinie zu schützen (Art. 22 E-RL).

 

5. Fazit

 

Es ist den Schweizer Unternehmen, die insbesondere auch im Ausland und in der EU tätig sind, sehr zu empfehlen, sich der Korruptionsprävention seriös und umfassend anzunehmen. 

 

Vor allem im Hinblick der neuen EU-Regelungen wäre betreffend der unerlaubten Einflussnahme zu überprüfen, ob bisher praktizierte subtile Formen möglicher Einflussnahme gegenüber Beamten nicht besser ganz abzustellen wären und ob die aktuelle Risikobeurteilung in Anbetracht der teils erheblichen Strafschärfungen nicht angepasst werden müsste. 

 

Zudem ist entscheidend, dass nicht nach dem Giesskannenprinzip verfahren wird, sondern Massnahmen risikobasiert und gezielt getroffen werden. Dazu gehören auf jeden Fall verbindliche und klare interne Antikorruptionsrichtlinien, regelmässige entsprechende Schulungen von korruptionsexponierten Mitarbeitenden und Führungskräften, eine unabhängige Meldestelle, sorgfältige Geschäftspartnerprüfungen, Überprüfung der Anreiz- und Entschädigungsmodelle, Weiterentwicklung der Unternehmenskultur mit einer klaren Nulltoleranz im Bereich Korruption, umgehende Konsequenzen bei Verstössen und auf Stufe Verwaltungsrat und Geschäftsleitung offene und ehrliche Diskussionen bis zu harten Entscheiden, wegen Korruptionsrisiken nicht in gewisse Märkte einzutreten oder solche zu verlassen.


 

[1]     https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_2516 mit weiteren Links insbesondere auf den Richtlinienentwurf


 [1]     https://www.fhgr.ch/fileadmin/fhgr/unternehmerisches_handeln/SIFE/projekte/Auslandskorruption/FHGR_TI-Schweiz_Auslandskorruption_2024.pdf

 

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Auteurs

Wind Christian
Christian Wind
Avocat, Associé
Co-Head Compliance et investigations, Concurrence et médias
Zurich
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