Mit dem Urteil 5A_245/2024 vom 29. August 2024 befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob ein Schuldner gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG Anspruch auf die Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte hat, wenn er die Forderung an den Gläubiger vor der Zustellung des Zahlungsbefehls, jedoch nach dem Betreibungsbegehren, beglichen hat. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Fortsetzung einer Betreibung für eine vor der Zustellung des Zahlungsbefehls beglichene Forderung als ungerechtfertigt anzusehen ist und der Schuldner daher Anspruch auf die Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte hat.
Gemäss dem neu eingeführten Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG, der seit dem 1. Januar 2019 in Kraft ist, gibt das Betreibungsamt Dritten keine Kenntnis von einer Betreibung, wenn (1) der Schuldner nach Ablauf von drei Monaten seit Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch stellt und (2) der Gläubiger nicht innerhalb einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen nachweist, dass ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags rechtzeitig eingeleitet wurde.
Im vorliegenden Fall ging es um eine Überweisung des geschuldeten Betrags an den Gläubiger, die zwar nach dem Betreibungsbegehren, jedoch vor der Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner erfolgte. Die Konstellation in diesem Fall war insofern speziell, als die Schuld nicht direkt vom Schuldner, sondern von einem Dritten (einer Prozessfinanzierungsfirma) bezahlt wurde. Die Zahlung erfolgte am 8. September 2023; die Gläubigerin hatte bereits zuvor die Betreibung eingeleitet und dem Schuldner wurde am 12. September 2023 ein Zahlungsbefehl zugestellt, wogegen er fristgerecht Rechtsvorschlag erhob. Am 21. Februar 2024 stellte der Schuldner beim Betreibungsamt den Antrag, die Betreibung nicht an Dritte bekanntzugeben. Das Gesuch wurde jedoch sowohl vom Betreibungsamt als auch von der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs abgelehnt.
Dass die Bezahlung der betriebenen Forderung nicht zu einer Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte berechtigt, wurde bereits in früheren Entscheidungen des Bundesgerichts klargestellt (insbesondere BGE 147 III 486, E. 3.4). Neu befasst sich das Bundesgericht in diesem Urteil mit der spezifischen Frage, ob eine Nichtbekanntgabe der Betreibung auch dann gerechtfertigt ist, wenn die Zahlung nach dem Betreibungsbegehren, aber vor der Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgt.
Da der Gesetzestext keine klare Antwort gibt, legt das Bundesgericht Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG nach dem Sinn und Zweck der Norm aus. Es betont dabei den Sinn der Bestimmung: den Schutz des Schuldners vor ungerechtfertigten Betreibungen und deren Folgen. Das Bundesgericht stellt insbesondere fest, dass sich der Betriebene auf diesen Artikel berufen kann, wenn ein Gläubiger nach der Zahlung der Forderung eine Betreibung einleitet – sei es aus schikanösen Gründen oder aufgrund einer übersehenen Zahlung. Wird die Zahlung jedoch nach dem Betreibungsbegehren geleistet, gilt sie als Anerkennung der Forderung, sodass die Betreibung als gerechtfertigt anzusehen ist. Grundsätzlich entfällt in diesem Fall ein Anspruch auf Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte (E. 4.3.4). Zur Lösung des Falls stellt sich das Bundesgericht die Frage, ab welchem Zeitpunkt von einer «betriebenen Forderung» gesprochen werden kann, bei deren Bezahlung der Anspruch auf Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte entfällt. Es kommt zum Schluss, dass die Schuldbetreibung im Sinne von Art. 38 Abs. 2 SchKG mit der Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner beginnt. Massgeblich ist daher das Datum der Zustellung des Zahlungsbefehls und nicht das Datum des Betreibungsbegehrens, da der Schuldner erst mit der Zustellung Kenntnis von der amtlichen Zahlungsaufforderung erhält und ab diesem Zeitpunkt das prozessuale Verhältnis zwischen den Parteien beginnt (E. 4.4.1 f.). Schliesslich prüft das Bundesgericht, unter welchen Voraussetzungen eine Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte möglich ist, wenn die Zahlung an den Gläubiger erfolgt ist. Gibt der Schuldner an, den Betrag vor der Zustellung des Zahlungsbefehls beglichen zu haben, so muss er eine klare Zahlungsbestätigung vorlegen (beispielsweise in Form eines Zahlungsbelegs oder eines Kontoauszugs). Die kantonale Praxis erachtet es zudem als hilfreich, zusätzlich das Datum der Zustellung des Zahlungsbefehls anzugeben (E. 4.5.1 f.).
Im vorliegenden Fall erbrachte die Beschwerdeführerin ausreichende Nachweise, dass es sich bei der Betreibung um eine bereits beglichene und somit ungerechtfertigte Forderung handelte. Da die Zahlung nach dem Betreibungsbegehren, aber vor der Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgte, heisst das Bundesgericht ihr Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte gut (E. 4.5.3). Als kurzer Exkurs hält das Bundesgericht fest, dass Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG keine materielle Prüfung des Bestands der Forderung erlaubt.
Zusammenfassend stellt das Bundesgericht klar, dass gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG eine Zahlung vor der Zustellung des Zahlungsbefehls den Anspruch auf Nichtbekanntgabe der Betreibung begründet – selbst dann, wenn der Gläubiger vor der Zahlung ein Betreibungsbegehren eingereicht hat. Dieses Urteil erweitert die Kasuistik des relativ neuen Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG. Die Bedeutung dieses Urteils geht über den Einzelfall hinaus, da es wesentlich dazu beiträgt, die materiellen und prozeduralen Grenzen des Schuldneranspruchs auf Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte genauer zu definieren.