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Klimabezogenes Marketing ohne «Greenwashing»

Weber Rolf H., in: bratschiLETTER Compliance April 2024

Die verstärkte regulatorische Beachtung von Nachhaltigkeitszielen hat erhebliche Auswirkungen auf Marketing und Werbung von Unternehmen. Soll auf «grün» oder «Klima» bei der Text- oder Bildgestaltung in der kommerziellen Kommunikation Bezug genommen werden, ist ein vorsichtiges Vorgehen empfehlenswert.

1. Rechtsgrundlagen für «grünes Marketing»



Die Schweiz kennt bisher keine konkreten Gesetzesbestimmungen zum «grünen Marketing» und kein ausdrückliches «Greenwashing»-Verbot. Zu beachten sind aber die im UWG enthaltenen lauterkeitsrechtlichen Regelungen, die immer für die Werbung gelten und deshalb auch beim «grünen Marketing» zur Anwendung kommen. Einerseits gilt das allgemeine Täuschungsverbot, das die Irreführung bzw. die Besserstellung des eigenen Angebots im Vergleich zu den Konkurrenten verbietet (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Weiter handelt unlauter, wer die Beschaffenheit, den Verwendungszweck, den Nutzen oder die Gefährlichkeit von Waren, Werken oder Leistungen verschleiert und dadurch die Kunden täuscht (Art. 3 Abs. 1 lit. i UWG). 

 

Zudem sind neuere gesetzgeberische Initiativen zu beobachten: (1) In einer Parlamentarischen Initiative von anfangs 2022 mit dem Titel «Stopp dem Greenwashing» ist eine Verschärfung von Art. 3 Abs. 1 lit. i UWG beantragt worden, doch hat der Nationalrat diesen Verstoss nicht unterstützt. (2) Eine Motion der grünen Nationalrätin Sophie Michel Gigon zur Schaffung von Richtlinien gegen Greenwashing hat der Bundesrat mit Hinweis auf das UWG als überflüssig erachtet. (3) Hingegen hat der Ständerat im Rahmen der Diskussion des CO2-Gesetzes eine neue Bestimmung in den Gesetzesentwurf aufgenommen (Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG), welche falsche Angaben über die verursachte Klimabelastung als unlauter qualifiziert.

 

Weitere Vorschriften finden sich in Spezialgesetzen: So ist in Art. 16a des Landwirtschaftsgesetzes ein Täuschungsschutz mit Bezug auf ökologische Produktionsmethoden vorgesehen; weiter müssen gemäss Art. 18 des Lebensmittelgesetzes die abgegebenen Deklarationen den Tatsachen entsprechen; ähnliche Regelungen gibt es auch in der Heilmittelgesetzgebung.

 

Eine strafrechtliche Beurteilung von «Greenwashing» könnte vor dem Hintergrund der arglistigen Täuschung (Art. 146 StGB) oder der unwahren Angaben von erheblicher Bedeutung über den kaufmännischen Betrieb (Art. 152 StGB) erfolgen. In der Praxis dürfte aber der Nachweis der Arglist bzw. der erheblichen Bedeutung der Falschinformation nur schwer zu erbringen sein. Hingegen ist denkbar, dass im Falle einer UWG-Verletzung der Straftatbestand von Art. 23 UWG (Ausfällung einer Busse) zur Anwendung kommt.

 

2. Erste Konkretisierungen in der Schweizer Praxis

 

Gerichtsentscheide zu «Greenwashing» gibt es in der Schweiz soweit ersichtlich bisher nicht. Hingegen haben die Schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) als Selbstregulierungs-Organisation, die sich um die Einhaltung eines korrekten Werbeverhaltens in der Branche bemüht, sowie das Seco als Verwaltungsbehörde bereits Stellung zum «grünen Marketing» genommen.

 

Die SLK hat Grundsätze zur kommerziellen Kommunikation zuhanden der Marktteilnehmer erlassen; relevant für das «Green Advertising» sind v.a. die in Kap. B2 und B3 enthaltenen (allgemeinen) lauterkeitsrechtlichen Regeln. Die SLK-Grundsätze beruhen auf dem Kodex der International Chamber of Commerce zur Werbe- und Marketingkommunikation, insbesondere auf dessen Kapitel D. Inhaltlich wird nicht von «Greenwashing» gesprochen, sondern die Grundsätze folgen weitgehend dem gesetzlichen Täuschungs- und Irreführungsverbot des UWG. Die Entscheide der SLK sind zwar nicht direkt durchsetzbar, aber deren Nichtbeachtung vermag sich negativ auf die Reputation auszuwirken.

 

Die Zahl der SLK-Entscheide hat in der letzten Zeit zugenommen; so sind im Jahre 2023 drei Aussagen von der SLK als unlauter bezeichnet worden: (1) Werbung «Unsere Gläschen sind klimapositiv» (SLK 169/23 vom 6.9.2023); (2) Hinweis auf «klimaneutrales» Heizöl (SLK 168/23 vom 6.9.2023); (3) Hinweis der FIFA auf «klimaneutrale» Fussball-Weltmeisterschaft (SLK 188/22 vom 10.5.2023).

 

In ähnlicher Weise hat das Seco die Oberengadiner Bergbahnen im Juni 2023 aufgefordert, die Aussage «CO2-neutrales Skifahren» wegen Unlauterkeit nicht weiter auf der Website zu verwenden.

 

3. Wichtige Entwicklungen im Ausland

 

Im Gegensatz zur Schweiz gibt es im umliegenden Ausland schon verschiedene Gerichtsentscheide, die sich zum «grünen Marketing» geäussert haben. In Österreich sind der Hinweis der Brauerei Gösser, Bier werde vollständig CO2-neutral gebraut, und die Aussage der Austrian Airlines «CO2-neutral zur Biennale fliegen» als unzulässig erachtet worden. Ryanair hat nach einer Beschwerde in Holland auf die Verwendung des Slogans «Fliege grüner nach …» verzichtet. Bereits umfangreich ist die Rechtsprechung in Deutschland: Unlauter sind etwa Aussagen wie «klimaneutrale Flüssigseife, Sonnenmilch und Crèmedusche» (Karlsruhe), «klimaneutrale» Herstellung von Bier (Nürnberg), «klimaneutrales Kochboxunternehmen» (Berlin) oder «reduziere Deinen CO2-Abruck» bei Weinen (Nürnberg). Entscheide sind auch zu Lebensmittelprodukten (z.B. Konfitüre) ergangen. Anlass zu Beschwerden gaben weiter Labels wie «Ecodesign».

 

Mindestens so wichtig sind aber die Entwicklungen auf der EU-Ebene. Der Richtlinienentwurf 2022/0092 «hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen» (sog. «Empowering Consumers-Richtlinie» [EmpCo-RL]) will hohe Anforderungen an die Umweltwerbung einführen; das Europäische Parlament hat den Richtlinienentwurf am 17. Januar 2024 mit grosser Mehrheit angenommen, mit einer Verabschiedung der Richtlinie ist demnächst zu rechnen. Die Richtlinie sieht eine «schwarzen Liste» mit sog. per-se Verboten vor (z.B. keine Werbung mit Klimaneutralität auf der Basis von Kompensationsmassnahmen). Alle Umweltaussagen sind wissenschaftlich zu belegen (umfangreiche Anforderungen an deren Substantiierung und Verifizierung). Weiter wird der Einsatz von Nachhaltigkeits-Labels reguliert (Verwendung erst nach Prüfung in Zertifizierungsprozess). 

 

Weiter zu beachten ist der Richtlinienentwurf 2023/0085 zu Umweltaussagen («Green Claims-Richtlinie»). Diese Richtlinie ergänzt die EmpCo-RL mit weiteren Anforderungen an den Nachweis ausdrücklicher Umweltaussagen sowie an deren Kommunikation; strenge Vorgaben sind auch an die Nutzung von Umweltzeichen geknüpft. Für den Nachweis, dass ein Produkt tatsächlich mit «grünen Argumenten» beworben werden kann, gelten verschiedene Mindestkriterien, etwa (1) der Nachweis der Übereinstimmung mit allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen, (2) das Vorliegen einer Lebenszyklusanalyse, (3) die Klarstellung, ob eine Angabe für das gesamte Produkt oder nur für Teile davon zutrifft, (4) der Nachweis, dass die Umweltqualität wesentlich besser ist als bei vergleichbaren Produkten und (5) eine spezifische Aufklärung, falls eine positive Leistung in Bezug auf die Umwelt zu einer erheblichen Verschlechterung anderer Umweltaspekte führt. Bei Verwendung von sog. «Green Claims» im Marketing sowie von Umweltzeichen als Nachhaltigkeits-Labels wird eine zwingende Vorab-Validierung durch eine unabhängige nationale Prüfstelle («Verifier») vorgeschlagen.

 

Das ausländische Recht, insbesondere das künftige EU-Recht, findet nicht nur auf Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen von Schweizer Unternehmen in einem EU-Land entsprechend Anwendung, sondern auch bei grenzüberschreitenden Marketing-Aktivitäten. Wer z.B. in Deutschland für die eigenen Produkte wirbt, muss angesichts der Anwendung des sog. Auswirkungsprinzips die dort geltenden Rechtsbestimmungen einhalten, unabhängig vom Ausgang der laufenden Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Mittelfristig ist deshalb abzusehen, dass Schlagworte wie «klimaneutral» oder «grün» aus dem Arsenal der Marketing-Begriffe ausscheiden müssen.

 

4. Handlungsempfehlungen für Schweizer Unternehmen

 

Die Sensitivität mit Bezug auf Umweltaussagen steigt nicht nur bei den Konsumierenden sowie in der Öffentlichkeit und in den Medien, sondern auch bei den rechtsprechenden Behörden (Lauterkeitskommission, Seco), und wohl eher über kurz als über lang bei den Gerichten. Diese (bald auch in der Gesetzgebung reflektierten) Entwicklungen werden zu steigenden Compliance-Risiken für das Management führen. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, bereits heute die Compliance im Unternehmen auf das Thema «grünes Advertising» auszuweiten und die Marketing-Abteilung entsprechend zu sensibilisieren. Wer mit dem «Klimaargument» werben will, muss sich künftig auf einen Mehraufwand gefasst machen. 

 

Zwar sind viele konkrete Beurteilungsgrundsätze noch nicht völlig geklärt. Wie und wo hat die Aufklärung des Kunden zu erfolgen? Ist ein Medienbruch zulässig (z.B. Link auf Website oder Angabe eines QR-Code)? Besteht ein Unterschied zwischen B2C and B2B? Ungeachtet solcher Fragen lassen sich indessen bereits allgemeine Empfehlungen formulieren: (1) Die Erstellung von Richtlinien für die Marketing-Abteilung ist sinnvoll. (2) Aussagen wie «nachhaltig», «umweltfreundlich», «klimaneutral» oder «CO2-neutral» sind zu vermeiden. (3) Hinweise wie «kompostierbar», «aus recycelten Materialien» oder «nachgewiesene Reduktion des CO2-Ausstosses» (falls wissenschaftlich belegbar) bleiben möglich. (4) Für ein geplantes «grünes Marketing» ist vorgängig eine solide Informationsbasis zu schaffen.

Auteurs

Weber Rolf
Rolf H. Weber
Avocat, Consultant
Zurich
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