Im Immobilienbereich sind Nachhaltigkeit oder «ESG» gerade in aller Munde, so dass die Begriffsinterpretationen immer bunter werden. Wer darf heute überhaupt noch fragen, was mit Nachhaltigkeit eigentlich gemeint ist? Wir wollen dies hier aus juristischer Sicht in einer kurzen Übersicht tun.
1. Eintauchen in das Thema Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist juristisch gesehen zunächst eine Zielgrösse, eine Auslegungshilfe oder Kontrollgrösse, welche die ganze Rechtsordnung durchdringt. In der Schweiz stützen wir uns auf den Brundtland-Bericht von 1987, aufgrund dessen in der letzten Verfassungsrevision (Abstimmung vom 18. April 1999) in Art. 2 BV bereits der Zweck der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet wurde. In Art. 73 BV wurde der Gehalt der Nachhaltigkeit gestützt auf das sog. 3-Säulenprinzip definiert: «Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen andererseits an.»
Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen Natur, Gesellschaft und Wirtschaft zu schaffen. Wenn das Verhältnis ausgewogen, (Darstellung [www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/507125/] linkes Dreieck) oder eingebettet ist (Darstellung rechts), dann ist Nachhaltigkeit umgesetzt. Häufig wird von den ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) und in diesem Zusammenhang von CSR (Corporate Social Responsibility) gesprochen. Diese Begriffe tauchen vermehrt in der Berichterstattung von Gesellschaften und Stiftungen auf, die ihre Geschäftstätigkeit im Immobilienbereich haben, aber auch die Wertbestimmungen der Assets daran messen und messen lassen.
2. Seitenblick auf die Entwicklungen in der UNO
In der weiterführenden Diskussion haben die Vereinten Nationen (UNO) und mit ihr die Schweiz am 25. September 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Mit ihren 17 Zielen, den Sustainable Development Goals (SDGs), hat die UNO einen globalen und universell gültigen Referenzrahmen für nachhaltige Entwicklung gesetzt. Die UNO-Mitgliedsstaaten haben sich bereit erklärt, die Ziele bis 2030 gemeinsam zu erreichen. Die stark präsente Bildsprache dieser Ziele hat die Kommunikation über die Inhalte bereits überholt:
Für weiterführende Informationen empfehlen wir die entsprechenden Hinweise auf der Webpage des EDA mit einem kurzen Erklärvideo. Damit möchten wir das Eintauchen in die z.T. stark programmatischen und politischen Teile der Nachhaltigkeitsdiskussion auch schon abschliessen.
3. Nachhaltigkeit im Immobiliensektor
Gemäss Erhebungen des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) ist der Gebäudepark der Schweiz verantwortlich für über einen Drittel des CO2-Ausstosses der Schweiz. Gleichzeitig haben Wohnen und Arbeiten auch in Bezug auf deren bauliche Ausgestaltung massive soziale Auswirkungen. Der Wunsch nach Wohnraum und das örtliche Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsort hat zur Folge, dass die Verkehrsinfrastrukturanlagen wie Bahn und Strassen kontinuierlich ausgebaut werden müssen, um den gesteigerten Kapazitätsanforderungen zu genügen. Dies führt zugleich zu gesteigertem Druck auf Kulturland, was dem in der Raumplanung propagierten Mantra der Verdichtung bzw. des verdichteten Bauens widerspricht. Die Verdichtung bringt gesteigerte städtebauliche Anforderungen mit sich und stellt Fachleute vor grosse Herausforderungen, insb. mit Blick auf «lebenswerte», dichte Stadträume und preisgünstigen Wohnungsbau. Zu guter Letzt muss das Ganze auch unter dem Blickwinkel der Finanzierung wirtschaftlich Sinn machen, namentlich müssen direkte oder indirekte Anlagen von Pensionskassen in Immobilienprojekte genügend rentabilisiert werden. Die Vermengung von ESG-Kriterien ist offensichtlich.
4. Herausforderungen für Immobilienprojekte
Welche Themen nun bei der Umsetzung von Immobilienprojekten auftauchen, kann hier nicht abschliessend behandelt werden, weshalb eine schemenhafte Aufzählung genügen muss:
Umwelt (Environment):
Soziales (Social):
Wirtschaft / Unternehmensführung (Governance):
5. Fazit
Je stärker Immobilienprojekte an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden, desto klarer wird die Strukturierung von Prozessen bei raumplanerischen Beschlüssen, Entscheiden in der Projektplanung, Bestellung von Werkleistungen etc. bis zum Betrieb von Immobilien. Die Aussenwirkungen beim Marktauftritt, etwa zur Finanzierung, aber auch zum Verkauf oder der Vermietung, wird künftig stärker standardisiert. Bei institutionellen Anbietern direkter oder indirekter Immobilienanlagen sind die Nachweise von ESG-Kriterien längst angekommen.